Tunesiens freie Wahl Gemäßigte Islamisten nehmen Koalitionsverhandlungen auf

Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, und doch gibt sich die islamistische Ennahda-Partei siegessicher. Wie das führende Mitglied Nouredinne Bhiri am Dienstagabend bestätigte, wurden bereits Koalitionsverhandlungen aufgenommen.

Noch vor Bekanntgabe der Endergebnisse der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung in Tunesien hat die gemäßigt islamistische Partei Ennahda Koalitionsgespräche aufgenommen. Das führende Ennahda-Mitglied Nouredinne Bhiri sagte am Dienstagabend, es hätten Gespräche über eine Regierung begonnen, "von der niemand ausgeschlossen ist außer denen, die nicht teilhaben wollen". Zuvor hatte sein Parteifreund Abdelhamid Jlassi angekündigt, die Ennahda werde mit der sozialistischen Ettakol und der linksnationalistische Kongress für die Republik (CPR) verhandeln.

Ettakol-Chef Mustapha Ben Jafaar erklärte in einem Interview mit der belgischen Tageszeitung "Le Soir", er kandidiere als Übergangspräsident Tunesiens. Teilergebnissen zufolge liegt die Ennahda in Führung, Umfragen zufolge dürfte sie aber die absolute Mehrheit der insgesamt 217 Abgeordneten in der verfassunggebenden Versammlung verfehlen. Das Endergebnis wurde für Mittwoch erwartet.

Neun Monate nach dem Sturz des langjährigen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali war die Wahl am Sonntag die erste Abstimmung für einen demokratischen Neubeginn in dem nordafrikanischen Land. Internationale Beobachter, darunter die der EU, bescheinigten der Wahl, zu der mehr als sieben Millionen Stimmberechtigte aufgerufen waren, einen fairen und transparenten Verlauf.

Die 217 Abgeordneten der verfassunggebenden Versammlung sollen eine neue Verfassung ausarbeiten und einen Präsidenten bestimmen, der dann den Chef einer Übergangsregierung ernennen soll. Kritiker werfen der Ennahda Fundamentalismus vor und glauben, sie wolle die Frauenrechte und die Meinungsfreiheit beschneiden. Die Ennahda selbst vergleicht sich hingegen mit der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP.

AFP
kgi/AFP