Es ist eines der schlimmsten Szenarien, das sich Experten bei einem Terroranschlag vorstellen können: Eine Wolke giftiger Gase zieht durch eine amerikanische Stadt, befürchtet werden mindestens eine Million Tote. Laut einem Bericht des US-Kongresses, der am Mittwoch veröffentlicht werden sollte, könnten mehr als 100 Chemiewerke in den USA von Terroristen angegriffen werden. Dem Dokument zufolge, das sich auf Angaben der Umweltschutzbehörde stützt, werden in den Fabriken rund 140 giftige und brennbare Stoffe gelagert.
"Ganz oben auf der Liste von Terroristen"
"Chemiefabriken stehen als Ziele ganz oben auf der Liste von Terroristen", sagte der Abgeordnete Edward Markey am Dienstag in einem Interview. Daher sei es sinnvoll, eine gesamte Auflistung der potenziell gefährdeten Einrichtungen zu erstellen, die in der Nähe von amerikanischen Großstädten liegen. Nach Ansicht von Forschern ist es allerdings unwahrscheinlich, dass bei einem Leck die gesamte Bevölkerung betroffen sein könnte.
Die Umweltschutzbehörde hat auf eine eigene vollständige Veröffentlichung der Standorte von Chemiefabriken, Ölraffinerien und Lager verzichtet, um nicht ungewollt Terroristen in die Hand zu spielen. In Daten aus dem Jahr 2003 hatte es geheißen, unter anderem in der Nähe von Los Angeles und im Norden von New Jersey stünden solche Chemiefabriken. Allein in Houston gibt es demnach sechs Gebäude, in denen Chlor und Schwefeldioxid gelagert werden. Laut dem neuen Bericht liegen rund ein Fünftel der amerikanischen Chemiewerke in der Nähe von mehr oder weniger dicht besiedelten Gebieten.
"Ungenügende" Sicherheitsmaßnahmen
Experten betonen, dass für die Zahl möglicher Todesfälle und Verletzungen mehrere unvorhersehbare Faktoren ausschlaggebend seien, beispielsweise die Windrichtung und die Größe des Lecks. Dem Bericht zufolge liegen etwa 110 Chemiewerke in der Nähe von Orten mit mindestens einer Million Einwohnern. Allein 29 davon stehen demnach in Texas, mehr als doppelt so viele wie in jedem anderen US-Staat. Die Industrie habe sich noch immer nicht um genügend Sicherheitsmaßnahmen bemüht, kritisierte Markey. Auch die Regierung von US-Präsident George W. Bush habe entsprechende Vorsichtsmaßnahmen nicht entschlossen genug vorangetrieben, erklärte der Demokrat.