Zweimal gescheitert Beim dritten Mal hat's geklappt: CDU-Politiker Wegner neuer Bürgermeister von Berlin

Kai Wegner im Berliner Abgeordnetenhaus
Kai Wegner im Berliner Abgeordnetenhaus
© Tobias SCHWARZ / AFP
Nach zwei verlorenen Wahlgängen schafft es Kai Wegner (CDU) im dritten Durchgang – mit 86 Stimmen wird er zum Regierenden Bürgermeister in Berlin gewählt.

Was für ein Drama: Beim dritten Wahlgang wird CDU-Politiker Kai Wegner am Donnerstag zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt, zwei Mal war er vorher durchgefallen. Hintergrund war möglicherweise der Unmut in der SPD über das neue Bündnis mit den Christdemokraten. Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte nach einer Wahlschlappe im Februar die Koalition mit Grünen und Linken aufgekündigt und auf das Rote Rathaus verzichtet. Die SPD-Mitglieder trugen dies knapp mit – aber zunächst nicht alle Abgeordneten der neuen schwarz-roten Koalition.

Von den 159 Mandaten des Parlaments haben CDU und SPD zusammen 86. Im ersten Wahlgang erreichte Wegner gerade einmal 71 Ja-Stimmen – 15 weniger als das Regierungsbündnis rechnerisch hatte. Im zweiten Wahlgang war es knapper: 79 Ja-Stimmen gegen 79 Nein-Stimmen. Aber immer noch keine absolute Mehrheit von mindestens 80 Stimmen – und immer noch sehr viele Abweichler. Für Wegner und Giffey ein herber Rückschlag zu Beginn ihrer gewünschten Zusammenarbeit. Im dritten Wahlgang kam er auf die benötigte Mehrheit und 86 Stimmen.

Dabei gab es zwischen den Wahlgängen Krisensitzungen. Bei den Sozialdemokraten sollen sich in einer Probeabstimmung 32 Abgeordnete für Wegner ausgesprochen haben, nur zwei gegen ihn. Bei der CDU sollen sogar alle Fraktionsmitglieder für Wegner gewesen sein. Als es in geheimer Abstimmung im zweiten Wahlgang doch anders ausging, wurde die Parlamentssitzung gleich für eineinhalb Stunden unterbrochen, mutmaßlich, um alle auf Linie zu bringen.

Schwierigkeiten bei Wegners Wahl waren vorab nicht ausgeschlossen worden – aber dass es so knüppeldick kommt? "Diese Dimension hat mich wirklich sehr überrascht, damit hätte ich nicht gerechnet", sagte der CDU-Politiker Falko Liecke. Grünen-Fraktionschef Werner Graf, künftig in der Opposition, sprach von einem "desaströsen Start" für die vorgesehene schwarz-rote Regierung und unkte gleich für die ganze restliche Legislatur: "Es ist schlecht für Berlin, weil es keine stabile Mehrheit gibt in den nächsten dreieinhalb Jahren – egal, wie der dritte Wahlgang ausgeht."

Giffey wagt Wechsel zu Schwarz-Rot

Die Ausgangslage: Weil es bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 gravierende Pannen gab, musste sie im Februar 2023 wiederholt werden. Wahlsieger wurde mit gut 28 Prozent die CDU, während die SPD der bisherigen Regierenden Bürgermeisterin Giffey auf nur wenig mehr als 18 Prozent stürzte. Rechnerisch hätte das bisherige Bündnis von SPD, Grünen und Linken weiter regieren können.

Doch Giffey wagte für den Rest der Legislaturperiode bis 2026 den Wechsel zu Schwarz-Rot, mit der SPD als Juniorpartner. Giffey hofft, dass sich ihre Partei so konsolidiert. In der SPD sehen das viele anders. Viele linke Sozialdemokraten halten Wegner vor, vor allem in der Integrations- und Migrationspolitik eine Rolle rückwärts vorzuhaben.

Als Beleg dient ihnen die Kontroverse um die Krawalle zu Silvester im Stadtbezirk Neukölln mit Angriffen auf Rettungskräfte. Wegners CDU stand in der Kritik, weil sie die Vornamen der ermittelten Straftäter abfragte, wohl in der Erwartung, dass es sich um Einwanderer handelte. Der Rassismusvorwurf von Links verhinderte Wegners Wahlsieg allerdings nicht.

Wegner profitiert von unzufriedenen Berlinern

Wegner ist auch in der Hauptstadt nicht allzu bekannt, geschweige denn bundesweit. Der gelernte Versicherungskaufmann wurde in Berlin-Spandau geboren. 1989 trat er in die Junge Union, die Jugendorganisation der CDU, ein. 1995 wurde er in Spandau Bezirksverordneter, 1999 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Von 2005 bis 2021 saß er für die CDU im Bundestag, ohne sehr prägnant in Erinnerung zu bleiben.

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2019 wählte ihn die Berliner CDU zum Landesvorsitzenden und 2021 zum Spitzenkandidaten. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 schaffte es Wegner mit seiner Partei nur auf Platz drei. Erst die Wiederholungswahl brachte ihn auf den ersten Platz.

Wegner profitierte von einer großen Unzufriedenheit – viele Hauptstädter sind genervt, dass ihre Verwaltung nicht gut funktioniert. Dass die Wahl wegen gravierender Mängel komplett wiederholt werden musste, war für viele das i-Tüpfelchen.

Wegner sieht die Koalition mit der SPD nach eigenen Worten als Vernunftehe. Nach außen hin steht seine Partei geschlossen hinter ihm. Ein CDU-Landesparteitag billigte den Koalitionsvertrag ohne Gegenstimme. Vereinbart sind darin unter anderem ein milliardenschweres Klimaschutzprogramm, eine Reform der Verwaltung, eine bessere Ausstattung für Polizei und Feuerwehr und ein deutliches Vorankommen beim Wohnungsbau. Die Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung will Wegner zur Chefsache machen.

Dritter Wahlgang

Für die Wahl des neuen Regierenden Bürgermeisters von Berlin stand nach zwei gescheiterten Wahlgängen für Kai Wegner (CDU) nun ein dritter Wahlgang an. Bei den beiden ersten Wahlen im Berliner Abgeordnetenhaus war mindestens die Mehrheit der 159 Abgeordneten-Stimmen, also 80 Ja-Stimmen, nötig. Ab dem dritten Wahlgang ist ein Kandidat gewählt, wenn er mehr Stimmen erhält als ein Gegenkandidat oder mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen. Die Zahl der Enthaltungen spielt keine Rolle. Möglich seien auch mehr als drei Wahlgänge, erklärte ein Sprecher des Abgeordnetenhauses zuvor.

Wörtlich heißt es in Artikel 56 der Berliner Verfassung: "Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses gewählt. Kommt eine Wahl nach Satz 1 nicht zustande, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Kommt die Wahl auch in diesem Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält."

Der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) war 2006 erst im zweiten Wahlgang mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme wiedergewählt worden. Im ersten Wahlgang war Wowereit durchgefallen. Einen dritten Wahlgang hätte er nicht gemacht, sagte er damals.

Die spektakulärste Abfuhr bei der Wahl zur Regierungschefin erlebte im März 2005 Heide Simonis (SPD) in Schleswig-Holstein. Sie fiel in vier Wahlgängen durch und trat danach nicht mehr an. Sie wollte eine rot-grüne Koalition mit Hilfe des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) bilden. Diese verfügte im Kieler Landtag exakt über die zur Wahl benötigten 35 Stimmen - Simonis erhielt aber jeweils nur 34. Der oder die Abweichlerin wurde später als der "Heide-Mörder" bezeichnet.

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert und ergänzt. 

DPA
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