Häufig ist in diesen Tagen - mal leise, mal laut - über die "Führungsschwäche" von Angela Merkel in der CDU gelästert worden. Wie die Kanzlerin auf der zweitägigen Vorstandsklausur von Präsidium und Bundesvorstand sowie beim Gipfeltreffen mit Horst Seehofer und Guido Westerwelle bewiesen hat, hat sie ihre Mannen allerdings besser im Griff als einst Helmut Kohl. Der musste immer wieder zu einem Trick greifen, um nörgelnde Parteifreunde in den Führungsgremien in Schach zu halten. Erst redete Kohl lange und langweilig auf den Bundesvorstand ein. "Nach anderthalb Stunden", so sein Befehl an CDU-Generalsekretär Heiner Geißler und ans Personal der CDU-Parteizentrale, "reißt ihr die Türen zum Sitzungssaal auf und serviert allen erstmal eine Suppe." Das soll sehr dämpfend auf alle potentiellen Aggressoren im Vorstand gewirkt haben. Der heutige CDU-Ministerpräsident Christian Wulff hatte Kohl noch ein radikaleres Beruhigungsmittel empfohlen: Er möge doch zu Beginn jeder Sitzung erst einmal die Liste der seit dem letzten Treff verstorbenen Parteifreunde vorlesen.
Derartige Tricks benötigt Angela Merkel nicht. Wer immer in der CDU-Führung während der Tagung Ende vergangener Woche in der CDU-Zentrale Hunger hatte, konnte jederzeit Essen ordern. Und am Abend der ersten Beratungsrunde füllte sie die Parteifreunde bei einem "Berliner Abend" zusätzlich mit Bouletten und Bier ab. Sie selbst zeigte sich in Bestform. Denn im Weihnachtsurlaub hatte sie mit großem Interesse eine Biografie des tschechischen Marathon-Wunderläufers Emil Zatopek gelesen. Dessen Laufstil ließ nach den klassischen Laufregeln der Leichtathletik ebenso zu wünschen übrig wie jener der Kanzlerin an der CDU-Spitze. Aber beim Endspurt ist Zatopek immer der Beste gewesen. Wie Merkel.
Wir finden: Zatopek ist auf jeden Fall ein besseres Vorbild für die Kanzlerin als Katharina die Große, deren Bild ihren Schreibtisch im Kanzleramt schmückt. Die russische Zarin bewährte sich zwar bei dem, was auch Merkel zum Ärger der CDU-Konservativen versucht, nämlich bei der Reform des Sozial-, Familien- und Bildungssystems im zaristischen Russland. Aber beim wechselvollen Privatleben der Zarin kann die Kanzlerin bei weitem nicht mithalten. Sollte sie auch nicht, denn es passt nicht zu einer CDU-Vorsitzenden.
Böse in Verdacht ist diese Woche der Emmendinger CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß geraten, ausgerechnet unmittelbar vor der Klausursitzung der CDU-Führung. Die "Berliner Zeitung" zitierte ihn als vehementen Kritiker Angela Merkels. Er habe über die Kanzlerin gesagt: "Man weiß nicht, ob sie noch in der CDU beheimatet ist." Die CDU/CSU-Fraktion staunte über Weiß, immerhin neuerdings Chef ihrer einflussreichen Arbeitnehmergruppe. Doch es war eine glatte Falschmeldung. Weiß, der dem Karl-Höffner-Kreis angehört, einem Zusammenschluss katholischer Unionsabgeordneter, hatte etwas ganz anderes gesagt. Seit Merkel 2005 die Kanzlerschaft übernommen habe, seien die konservativen Wählermilieus der CDU verunsichert. Und dann folgte der Satz: "Manche fragen sich, ob sie noch in der CDU beheimatet sind." Heißt: Es ging um die Milieus, nicht um Merkel.
Die Konservativen in der CDU haben es derzeit tatsächlich nicht leicht. Die Kanzlerin lässt schließlich an vielen Punkten eine Politik betreiben, die nur schwer ins konservative Weltbild passt. Da ist vor allem bei Ursula von der Leyen der Fall, die bisher mit ihrer Familienpolitik das konservative CDU-Publikum erschreckte und dies offenbar auch im neuen Amt der Bundesarbeitsministerin fortzusetzen gedenkt. Was konservative Vorurteile sind und wie sie sich durch das Leben selbst widerlegen lassen, hat jetzt die EKD-Vorsitzende Margot Käßmann (vier Kinder) mit einer heiteren Anekdote geschildert. Sie habe einmal, so die Bischöfin, zusammen mit von der Leyen (sieben Kinder) vor konservativen CDU-Anhängern über die Modernisierung des Familienbilds geworben. Nach langer Debatte habe sich ein älterer Herr erhoben und gesagt: "Ich bin gegen alles, was sie beide sagen. Aber was soll man noch sagen, wenn sie zusammen elf Kinder haben!"
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Schlagzeilen hat Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel mit seiner jüngsten Afrikareise nicht gemacht. Die Berliner Journalisten hat nur eines interessiert: Weshalb er dort mit verspiegelter Sonnenbrille und Schirmmütze aufgetreten ist, deren Form und Farbe dem nachempfunden waren, was einst Gebirgsjäger der Wehrmacht auf dem Kopf getragen haben. Und eine weitere Frage lautete, weshalb der Ex-Fallschirmjäger Niebel, wenn er schon so auftrete, dann nicht wenigstens eine entsprechende Mütze der Bundeswehr getragen habe. Aufklärung gab es nicht. Ein Kommentar aus der FDP-Parteizentrale aber lautete: "Ich hätte ihm das Ding am liebsten vom Kopf gerissen. Der ist doch jetzt Minister und nicht mehr Aktionskünstler." Ob das Niebel auch so sieht?
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Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Niemand diskutiert gelassener über die Frage des Einsatzes von so genannten Nacktscannern bei der Kontrolle von Flugpassagieren als der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach. Der neue Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, wo diese Frage im Kampf gegen den Terrorismus zurzeit ein wichtiges Thema ist, kennt das Problem intensiver körperlicher Inspektion aus sehr speziellem Grund. Wann immer er durch die Passagierschleuse vor dem Abflug geht, wird er als Verdachtsfall gemeldet. Es piepst, denn er trägt einen Herzschrittmacher. Hat er seinen speziellen Ausweis mal nicht dabei, wird er scharf kontrolliert: Er muss sein Hemd öffnen und mit der Narbe auf seiner Brust, die von der Operation stammt, beweisen, dass er keinen Bombenanschlag plant. "Für mich und meine Intimsphäre wäre die Inspektion per Nacktscanner einfacher", findet er. Und geht davon aus, dass sie noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen werden. In dieser Frage steckt allerdings für Bosbach auch ein politisches Risiko. Manche seiner Parteifreunde, die ihm oft vorwerfen, er sei viel zu ehrlich bei seinen Meinungsäußerungen, dürften dann schimpfen: "Bei dem piepst´s wohl!"