Beschluss des Vorstands Bundesbank nimmt Sarrazin das Geld weg

Nach seinen umstrittenen Äußerungen über Ausländer verliert Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin erheblich an Einfluss. Der 64-Jährige muss seine Zuständigkeit für den wichtigen Bereich Bargeld abgeben.

Als Konsequenz aus seinen umstrittenen Äußerungen zur Integration von Ausländern wird Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin weitgehend entmachtet. Wie die Bundesbank am Dienstag nach einer Vorstandssitzung mitteilte, ist Sarrazin ab sofort nicht mehr für den Bereich Bargeld zuständig. Allerdings verantwortet er nach wie vor die Bereiche Informationstechnologie und Risiko-Controlling.

Sarrazins bisherige Zuständigkeit im Bargeldbereich wird von Vorstandsmitglied Hans Georg Fabritius übernommen, der zudem Controlling und Zahlungsverkehr überwacht. Insbesondere Bundesbank-Präsident Axel Weber habe den Plan zur Entmachtung Sarrazins unterstützt, hieß es aus Kreisen der Notenbank. Die Neuverteilung der Aufgaben tritt laut Bundesbank mit sofortiger Wirkung in Kraft.

Sarrazin schweigt

Sarrazin selbst äußerte sich am Dienstag nicht. Auch das offizielle Statement der Bank fiel kurz aus: "Der Vorstand der Deutschen Bundesbank hat sich heute in einer Aussprache auf die Grundlagen für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit verständigt." Es gelte nun, "den Blick nach vorn zu richten und gemeinsam die schwierigen Aufgaben und Herausforderungen zu bewältigen."

Der Bereich Bargeld gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben der Notenbank: Sie umfasst die Herstellung von Geldscheinen, die Vergabe von Aufträgen zum Druck von Banknoten sowie das Design neuer Banknoten. Zudem verantwortet Sarrazin nicht mehr die Zuständigkeit für das Nationale Analysezentrum der Bundesbank in Mainz, wo die Mitarbeiter Falschgeld prüfen und zerstörte Banknoten wieder rekonstruieren.

"Kleine Kopftuchmädchen" werden Sarrazins Verhängnis

Sarrazin hatte sich kritisch über in Berlin lebende Türken und Araber geäußert und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In einem Interview mit der Zeitschrift "Lettre International" hatte das SPD-Mitglied behauptet, eine große Zahl von Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion außer für den Obst-und Gemüsehandel. "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Heftig kritisiert wurde auch seine Aussage "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Sarrazin hatte sich für seine Äußerungen bereits entschuldigt, einen Rücktritt aber abgelehnt, obwohl auch Bundesbankpräsident Weber ihm diesen indirekt nahe gelegt hatte.

Die Entlassung eines Vorstandsmitglieds ist bei der Bundesbank rechtlich schwierig: Nur bei Krankheit oder bei schwerwiegenden Verfehlungen kann der Vorstand beim Bundespräsidenten beantragen, ein Mitglied zu entlassen. In der mehr als 50-jährigen Geschichte der Bundesbank ist noch nie ein Vorstand wegen Verfehlungen gefeuert worden.

Vor seiner Berufung im Mai in den Bundesbank-Vorstand war Sarrazin sieben Jahre lang Berliner Finanzsenator. Die Staatsanwaltschaft prüft nach einer Anzeige, ob ein Anfangsverdacht auf Volksverhetzung vorliegt.

Unterdessen hat der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano Sarrazin verteidigt. Er liege in der Sache richtig, habe sich aber im Ton vergriffen, sagte der Publizist dem Sender "MDR Info". "Sarrazin beschreibt die Wirklichkeit darin so, wie sie ist, und nicht wie seit vielen Jahren von der politischen Korrektheit dargestellt."

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