Briefdetektive "An meine Maus, Hamburg"

Wenn Gebisse, CDs oder Postkarten in Marburg landen, kommen sie zum Einsatz: die Briefdetektive der Post. Sie versuchen, mehrere tausend Empfänger unzulänglich adressierter Sendungen ausfindig zu machen.

"An meine Maus, Hamburg". Mehr Informationen hat das Team um Gerhard Schwarzer oft nicht. In der Briefermittlungszentrale im hessischen Marburg fahnden rund 100 Adressdetektive nach Empfängern oder Absendern von unzustellbaren Briefen und Karten. Im Sommer haben sie wieder Hochsaison. "Zur Urlaubszeit kommen die Postkarten", sagt Schwarzer, stellvertretender Leiter der Zentrale. "Die Leute vergessen dann ihr Adressbuch. Postleitzahlen, Straßen und Hausnummern kommen da schon mal durcheinander oder werden ganz weggelassen."

Allein in Schleswig-Holstein werden zur Sommerzeit 40.000 Karten verschickt, davon sind rund 1000 falsch adressiert. Alle Sendungen, die nicht zuvor in den deutschen Briefzentren zugeordnet werden konnten, landen in Marburg. Rund 12.000 Briefe und Postkarten täglich. Nur hier dürfen die Mitarbeiter das Briefgeheimnis brechen, die Post öffnen und lesen.

60 Briefe pro Stunde

Ihre Augen wandern dabei nicht nur über Urlaubsgrüße, sondern auch über Liebes- und Geschäftsbriefe. "Unsere Leute haben pro Stunde 60 Briefe vor sich. Da bleibt keine Zeit, den Inhalt zu studieren", sagt Schwarzer. Ausschau wird nur nach Hinweisen auf den Absender oder Adressaten gehalten. Jede zweite Sendung kann so im Nachhinein zugestellt werden, der Service ist kostenlos.

Ausplaudern dürfen die Mitarbeiter nichts. "Die unterliegen genauso wie Ärzte oder Beichtväter der Schweigepflicht", sagt der Frankfurter Postsprecher Alexander Böhm, "und irgendwann haben die sowieso die Nase voll von dem Kladderadatsch, der in den Briefen steht." Daneben purzeln ihnen auch allerlei Gegenstände des "tägliche Lebens" entgegen, erzählt Schwarzer. "Ein Gebiss kann genauso darunter sein wie ein einzelner Zahn oder Bücher und CDs."

Das, was nach einem Jahr immer noch keinen Besitzer gefunden hat, wird vernichtet, Wertgegenstände in Darmstadt versteigert. Nur Bargeld wird auf ein spezielles Konto eingezahlt und muss dort mindestens 30 Jahre bleiben - wenn sich nicht vorher der Absender meldet.

Abwärtstrend bei Privatpost

Die Detektive haben es immer weniger mit privater Post zu tun, die Konkurrenz der elektronischen Medien wächst. "Wir haben täglich 70 Millionen Sendungen, davon vor allem Geschäftliches. Bei der Privatpost zeichnet sich ein Abwärtstrend ab", erklärt Böhm.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Doch obwohl in Zeiten von SMS, Fotohandy und E-Mail die gute alte Postkarte langsamer ist: "So schnell ist sie noch nicht vom Aussterben bedroht", sagt der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der Universität Münster. "Es ist ein Ritual, bei dem es weniger um die Information als um die persönliche Geste geht." Die Menschen pinnten sich Urlaubsgrüße gern an die Wand, Papier sei weniger vergänglich als Elektronisches. "Ein Postkarte ist eine richtige Komposition, da gehören die exotischen Briefmarken genauso dazu, wie die handgeschriebenen Zeilen."

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Annette Reuther/DPA