Vor einem Jahr sorgte weltweit ein Video für Empörung, in dem ein Bundeswehr-Ausbilder einem Wehrdienstleistenden befiehlt, beim Schießen an Afroamerikaner zu denken und "Motherfucker" zu rufen. stern.de hatte das Video im Internet entdeckt.
Der Bürgermeister der New Yorker Bronx forderte damals eine Entschuldigung, der deutsche Generalkonsul Hans-Jürgen Heimsoeth musste vermitteln. Der Diplomat besuchte das Stadtviertel der Millionen-Metropole - und setzte den Grundstein für einen Dialog, der nun Früchte trägt. Am Montag wird eine Schülergruppe aus New York in Oranienburg bei Berlin zu einem zweiwöchigen Austausch erwartet.
"Dieses unglückselige Ereignis hat sich zu einer Gelegenheit entwickelt, um unsere Beziehungen weiter zu verbessern", hatte Heimsoeth beim Schulbesuch in der Bronx gesagt, kurz nachdem stern.de im April 2007 den Fall öffentlich gemacht hatte. Der Generalkonsul war wochenlang damit beschäftigt, die von dem Video ausgelösten Wogen zu glätten. Er traf Politiker verschiedener Ebenen, hörte sich Beschwerden an, erklärte, baute Vorurteile ab.
Der Aufsehen erregende Film war im Juli 2006 gedreht worden und zeigt, wie der Ausbilder, ein Offiziersanwärter, einem Wehrdienstleistenden befiehlt, bei einer Schießübung mit einem Maschinengewehr an "Afroamerikaner" in der Bronx zu denken und dabei "Motherfucker" zu rufen. Die Bundeswehr entließ den Ausbilder fristlos.
Interesse statt Zorn bei Schülern in der Bronx
Die unaufgeregteste Atmosphäre fand Heimsoeth schließlich dort, wo er sie am wenigsten vermutet hätte: Der Generalkonsul traf in der New Yorker Bronx nicht etwa zornige, vorwurfsvolle Jugendliche, sondern nachdenkliche und fragende junge Menschen. Ist unser Ruf wirklich so schlecht in der Welt, dass deutsche Ausbilder uns als Schreckgespenst benutzen, fragten sie und wollten wissen, was das für ein Land sei, dieses Deutschland.
Heimsoeth war überrascht: Er kam, um zu erklären und stieß auf nachhaltiges Interesse. Der Diplomat zog eine Landkarte von Deutschland hervor und begann zu erzählen. Sein Vorteil: Er hatte in seiner Jugend fünf Jahre an einer Schule in der Bronx gelernt - er war einer von ihnen. "Das ist sofort auf Sympathie gestoßen", erinnert sich der Sprecher des deutschen Generalkonsulats in New York, Heinrich Neumann.
Nach einigen Tagen der Empörung wurden die Protestbriefe im April 2007 weniger, die täglich in der Behörde eingingen, auch das mediale Interesse flaute ab. Heimsoeth und seine Mitarbeiter blieben mit der Bronx-Schule in Kontakt, die Idee eines Schüleraustauschs reifte. Einige Unternehmen unterstützten das Vorhaben finanziell. Zufällig lernten die Diplomaten eine deutsche Lehrerin kennen, die sich spontan entschloss, mitzumachen.

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Gabriele Rohde vom Oranienburger F.F.Runge-Gymnasium wird nun die fünf afro-amerikanischen Jugendlichen in den zwei Wochen in Berlin und Brandenburg betreuen. Ihr Interesse für Deutschland hatten die Schüler im Auswahlverfahren unter Beweis gestellt, sie setzten sich dank überzeugender Aufsätze durch. Mit Besuchen im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt, im Reichstag und im Konzentrationslager Sachsenhausen wollen sie ihr Wissen untermauern. Die Gruppe wird in Gastfamilien wohnen.
Schulfrei gibt es für sie allerdings nicht: Vormittags werden die fünf die Schulbank im F.F.Runge-Gymnasium drücken - und Feldforschung betreiben: Schließlich geht es vor allem um die Frage, wie sie eigentlich so sind, diese Deutschen.