Bundeswehr-Skandal Knochenfeld war "Insider-Tipp"

Die Totenschändungen durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan waren offenbar kein Einzelfall. Einem Zeitungsbericht zufolge haben auch Soldaten anderer Nationen ein Knochenfeld zum Posieren genutzt. Ein Zeuge der Foto-Aktionen berichtet zudem, wer dabei nicht mitgemacht habe, habe als "Weichei" gegolten.

Die "Leipziger Volkszeitung" berichtet, ein Knochenfeld in der Nähe von Kabul soll mehrfach Posier- und Fotostation für Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF gewesen sein. In den vergangenen drei Jahren habe es offenbar mehrfach Foto-Aktionen deutscher Soldaten mit Gebeinen in der Hand gegeben. Auch Soldaten anderer Nationen hätten sich in demonstrativer Pose gezeigt. Bei den Foto-Aktionen habe es sich "um eine Art Insider-Tipp unter einigen Soldaten" gehandelt.

"Knochenfeld war keine Kultstätte"

Die Totenschändungen durch deutsche Soldaten sind einem mutmaßlichen Zeugen zufolge niedrigen Dienstgraden der Truppe bekannt gewesen. Der Zeuge der Vorfälle, der anonym bleiben wollte, sagte der "Bild"-Zeitung, das Geschehen habe "die Runde gemacht". "Die fanden das teilweise lustig", fügte er hinzu.

Der 2003 von den Soldaten geschändete Schädel stamme nicht von einem Friedhof. Vielmehr müsse man sich das Gelände vorstellen wie eine große Kiesgrube. Dort hätten Einheimische Lehm für Ziegel abgegraben. "Es war kein Friedhof, keine Kultstätte", sagte der Zeuge. Vermutlich seien dort während Kriegszeiten "Unmengen an Leichen abgelagert" worden. Nach seiner Schilderung gab der Patrouillenführer den Befehl zum Anhalten. Zwar habe es keinen Gruppenzwang zum Schänden der Gebeine gegeben. Wer aber nicht mitgemacht habe, habe als "Weichei" gegolten, sagte der Zeuge.

Die von der "Bild"-Zeitung veröffentlichten Bilder von Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan in teils obszönen Gesten mit einem Totenschädel posieren, hatten quer durch die Parteien Empörung ausgelöst. Verteidigungsminister Franz Josef Jung hatte Konsequenzen für die betroffenen Soldaten angekündigt.

"Knochenfeld war keine Kultstätte"

Der Sender RTL hatte zudem ein Bild von einem Bundeswehrsoldaten gezeigt, der mit einem Schädel auf seiner Schulter posiert. Auf einem anderem Foto hält ein Bundeswehrsoldat einen Schädel in der Art einer Kühlerfigur auf eine Motorhaube. Der Sender berichtete, die Bilder seien vom März 2004 datiert. Zu sehen seien Panzergrenadiere. Auf den gezeigten Bildern waren die Gesichter der Soldaten unkenntlich gemacht worden. Die bislang bekannt gewordenen Bilder sollen aus dem Frühjahr 2003 stammen.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, erklärte nach RTL-Angaben, bei den Bildern handele es sich um einen weiteren Einzelfall. Im ausgestrahlten Interview erklärte er: "Es ist nicht zu fassen, dass es solche Menschen gibt und es ist außerordentlich entsetzlich, dass es solche Menschen in unseren Reihen gibt." Diese Menschen würden gegen Moral und Anstand verstoßen und die untadelige Arbeit anderer gefährden. Auch Vorgesetzte würden sich zu verantworten haben, falls sie dieses Verhalten toleriert hätten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die neuen Bilder von mutmaßlich geschändeten Leichenteilen in Afghanistan sind wahrscheinlich echt. Davon müsse man nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ausgehen, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, in den ARD-"Tagesthemen". Die Vorfälle müssten jetzt aufgeklärt werden. Der Wehrbeauftragte sagte, dass es sich angesichts von insgesamt 200.000 bereits im Ausland eingesetzten Bundeswehr-Soldaten immer noch um Einzelfälle handele.

AP · DPA · Reuters
Reuters/AP/DPA

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