Vor dem Bund-Länder-Treffen zur aktuellen Corona-Lage hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Matchwort gesprochen. Mit der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom Januar waren das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut ermächtigt worden, darüber zu entscheiden, wer unter welchen Umständen und wie lange als genesen beziehungsweise geimpft gilt. Diese Kompetenz will Lauterbach dem RKI nun wieder entziehen.
"Über tiefgreifende Entscheidungen wie etwa den Genesenenstatus möchte ich selbst und direkt entscheiden", sagte Lauterbach der "Bild" (Mittwochsausgabe). "Sonst trage ich die politische Verantwortung für das Handeln anderer."
Das RKI war Mitte Januar heftig kritisiert worden, weil es kurzfristig den Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt hatte und sich somit für Millionen Deutsche der Zugang zur Gastronomie und Veranstaltungen über Nacht veränderte. RKI-Chef Lothar Wieler war daraufhin unter anderem von der FDP heftig angegangen worden. Lauterbach hatte sich jedoch vor den Behördenchef gestellt und ihm sein Vertrauen versichert.
Karl Lauterbach zu Corona-Lockerungen: "Zeit für Lockerungen mit Augenmaß"
Die umstrittene Verkürzung des Genesenenstatus soll indessen einer vorab bekanntgewordenen Beschlussvorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch zufolge ebenfalls wieder rückgängig gemacht werden.
Dass die Corona-Maßnahmen ähnlich wie in anderen europäischen Ländern nahezu komplett wegfallen, ist unwahrscheinlich – zumindest, wenn es nach Lauterbach geht. Es sei Zeit für Lockerungen mit Augenmaß, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nötig sei aber weiter die Möglichkeit für schnelles und flexibles Reagieren auf die Pandemie. "Das Virus verschwindet nicht von heute auf morgen." Das Infektionsschutzgesetz müsse so umformuliert werden, "dass der Basisschutz gewährleistet bleibt und bei Bedarf ausgedehnt werden kann", sagte Lauterbach weiter. Will heißen: Auch über den 20. März hinaus sollen notfalls härtere Maßnahmen als Maskenpflicht und Abstandsgebot greifen können. "Wir haben den Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht", bekräftigte Lauterbach. "Mit ihren Nachwirkungen müssen wir allerdings noch eine Weile leben."
MPK am Mittwoch: mögliches Ende der Corona-Maßnahmen bis 20. März
Die MPK berät an diesem Mittwoch über weitreichende Öffnungen. Die Corona-Vorgaben sollen nach einem ersten Entwurf für eine MPK-Beschlussvorlage bis 20. März weitgehend entfallen. Danach soll es laut dem Entwurfsvorschlag nur "niedrigschwelliger Basisschutzmaßnahmen" bedürfen – etwa Maskenpflicht in Innenräumen. Der Bundestag solle die Rechtsgrundlagen für entsprechende Ländermaßnahmen schaffen, so der erste Entwurf von Kanzleramt und MPK-Spitzen. Auch Lauterbach betonte: "Die Länder brauchen ein größeres Corona-Besteck."

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Der Vorlage zufolge soll es in einem ersten Schritt unter anderem im Einzelhandel bundesweit keine Zugangsbeschränkungen mehr geben. Ab dem 4. März soll dann in Gastronomie und Hotels die 3G-Regelung gelten, womit diese auch von Ungeimpften mit Test wieder besucht werden können. Ab dem 20. März sollen alle tiefergreifenden Schutzmaßnahmen einschließlich der Homeoffice-Pflicht auslaufen. Die Maskenpflicht soll aber in Innenräumen sowie Bussen und Bahnen weiter gelten.
Inzidenz sinkt vierten Tag in Folge – das hat allerdings nur begrenzte Aussagekraft
Derweil ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am vierten Tag in Folge gesunken. Damit verdichten sich die Hinweise, dass die Omikronwelle tatsächlich bricht. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Mittwochmorgen mit 1401,0 an.
Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1437,5 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1450,8 (Vormonat: 515,7). Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 219.972 Corona-Neuinfektionen. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.00 Uhr wiedergeben. Vor einer Woche waren es 234.250 Ansteckungen.
Die Zahlen haben allerdings im Moment nur begrenzte Aussagekraft. Experten gehen von einer hohen Zahl von Fällen aus, die in den RKI-Daten nicht erfasst sind. Testkapazitäten und Gesundheitsämter sind demnach vielerorts am Limit, Kontakte werden nur noch eingeschränkt nachverfolgt. Zudem dürfte die Zahl der Menschen steigen, die ihre Infektion nicht mehr über einen PCR-Test bestätigen lassen – die Infektion fließt damit nicht in die offizielle Statistik ein.