Energiepolitik Hoher Ölpreis belebt Debatte über Atomausstieg

Wirtschaftsminister Glos hat den hohen Ölpreis geschickt genutzt, um den aus seiner Sicht falschen Atomausstieg wieder zum Thema zu machen. Die SPD reagierte erwartungsgesmäß verschnupft - und auch Experten raten zu mehr Gelassenheit.

Als "völligen Unsinn" hat die SPD den jüngsten Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CDU) zum Atomausstieg bezeichnet. "Der hohe Ölpreis hat mit der Stromerzeugung nichts zu tun", sagte SPD-Vorstandsmitglieder Hermann Scheer stern.de. Atomstrom für Autokraftstoffe zu nutzen, sei "extrem ineffizient". Strom könne nur dann ein Ersatz für fossile Kraftstoffe sein, wenn auf deutschen Straßen vor allem Elektroautos unterwegs wären.

Der CSU-Politiker hatte sich zuvor dafür stark gemacht, den Ölpreis-Rekord für eine neue Debatte über den Atomkraftausstieg zu nutzen. Deutschland müsse seinen Energiemix möglichst breit anlegen, sagte der Minister der "Frankfurter Rundschau". "Dazu gehören für mich die erneuerbaren Energien, aber auch die Kernenergie, die uns beide weniger abhängig von teuren Energieimporten machen", betonte er. Scheer warf Glos dagegen vor, nur nach einer Legitimation zu suchen, um erneut über den Atomausstieg zu debattieren.

Kein Grund zur Panik

Der Ölpreis hat sich unterdessen knapp unter der Marke von 100 Dollar gehalten. Nach dem Rekordsprung am Vortag auf 100,12 Dollar kostete ein Barrel (159 Liter) der Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Februar am Morgen 99,30 Dollar. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup warnte davor, "ökonomische Untergangsszenarien zu malen". Rürup sagte dem Deutschlandfunk, natürlich berge ein steigender Ölpreis immer ökonomische Risiken und Probleme. Gleichwohl solle die Entwicklung nicht dramatisiert werden. "Anders als beispielsweise Mitte der 70er Jahre ist der Rohölpreis in der letzten Zeit nicht die Folge einer Angebotsverknappung, sondern eines sehr dynamischen weltwirtschaftlichen Wachstums".

Nach Ansicht von Energie-Experte Scheer ist die Frage des Energiemixes - also wie die Energieversorgung der Zukunft in Deutschland aussehen soll - eine der wichtigsten überhaupt. Für den SPD-Politiker führt kein Weg daran vorbei, die konventionelle Energieerzeugung durch erneuerbare Energien zu ersetzen. "Auch die Uranvorkommen sind endlich und reichen nur noch für 40 Jahre", sagte er. Eine endliche Ressource könne nicht durch eine andere ersetzt werden.

Atomausstieg als Wahlkampfthema?

Von der Schaffung eines Energieministeriums, wie es einige Experten fordern, hält Scheer indes nichts. "Das ist eine übergreifende Aufgabe, die kann nicht in einem Ministerium gebündelt werden", ist er überzeugt. In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits ein Energieministerium, das sich für eine ähnliche Behörde auf Bundesebene ausspricht.

Scheer warnte die Union gleichzeitig vor einem Wahlkampfthema Atomausstieg: "Das ist mit vielen Risiken behaftet." Sollte die Union den Ausstieg vom Ausstieg propagieren, handele sie "gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung". Sie spreche sich dann gegen die Zukunft und für die Vergangenheit aus. Nur 20 Prozent der Bundesbürger würden sich für einen Ausbau der Atomkraft aussprechen, wohingegen drei Viertel für einen Ausbau der erneuerbaren Energien votierten.

Bundeswirtschaftsminister Glos kämpft seit Bildung der Großen Koalition Ende 2005 für eine Rücknahme des Ausstiegs aus der Kernkraftnutzung. Er stößt damit auf erbitterten Widerstand der SPD. Das Ende der Atomkraft in Deutschland hatte die rot-grüne Vorgängerregierung beschlossen.

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msg/dpa