Genetischer Fingerabdruck Beste Waffe der Ermittler

Wo immer der Mensch geht und steht, hinterlässt er unverwechselbare Spuren: Sein Genetischer Fingerabdruck lässt sich aus winzigsten Hautschüppchen gewinnen.

DNA, das Material, aus dem unser Erbgut besteht, ist ungeheuer robust. So stabil, dass Michael Crichton auf die Idee kam, für seinen "Jurassic Park" Dinosaurier aus Millionen Jahre alten Gen-Schnipseln wieder auferstehen zu lassen. Für Kriminalisten ist solche Unverwüstlichkeit ein Glücksfall: Hinterlässt ein Täter am Ort der bösen Tat auch nur kleinste Hautreste - wie im Fall Moshammer am Kabel - könnten sie selbst Jahrzehnte später noch einen sicheren Hinweis auf dessen Identität geben. Mehrere ungelöste Alt-Fälle wurden so bereits aufgeklärt. Der "genetische Fingerabdruck" macht's möglich.

Eine Nobelpreis-prämierte Technik, die "Polymerase-Kettenreaktion" (PCR), gestattet es, kleinste Erbgutmengen oder stark lädierte Bruchstücke beliebig zu vervielfältigen. Kopierenzyme aus hitzeliebenden Bakterien machen das in Spezialmaschinen bei hohen Temperaturen und in kurzer Zeit. Eine Nadelspitze Täterzellen reicht. Kriminaltechniker in Hygieneanzügen versuchen deshalb stets, auch winzigste Spuren mit Pinsel oder Vakuumsauger sicher und unvermischt zu bergen.

Gelingt es, Täter-DNA

zu finden und zu vervielfältigen, können Spezialisten daraus die DNA-Formel, den eigentlichen genetischen Fingerabdruck, erzeugen. Wichtig zu wissen ist, dass dieser nichts über die Gene des Untersuchten aussagt (etwa darüber, welche Haarfarbe er hat oder welche Krankheitsanlagen). Denn merkmalsbestimmende Gene machen nur wenige Prozent unseres Erbgutes aus. Die übrigen über 90 Prozent bestehen aus "Junk DNA", welche keine bekannte Funktion hat. Dennoch bilden Teile von ihr ein praktisch unverwechselbares, personenspezifisches Muster.

In diesen Mustern werden kurze DNA-Abschnitte immer wiederholt. Die Zahl der Wiederholungen ist bei jedem Menschen einzigartig. Sie ist es, die ana-lysiert wird. So entsteht die Formel. Ihr Abgleich mit der DNA-Datenbank (oft fälschlich "Gen-Datenbank" genannt) des Bundeskriminalamts in Wiesbaden, in der die Formeln bereits verurteilter Straftäter (Mindeststrafe: ein Jahr Haft) gespeichert werden, führt im Erfolgsfall binnen Sekunden zu einem Treffer und, wie im Fall Moshammer, zur raschen Festnahme des Verdächtigen. Bei der Zuverlässigkeit der Identifikation mittels genetischen Fingerabdrucks kann man von einer Zuverlässigkeit von mehr als 99,999 Prozent ausgehen. Deshalb ist das Verfahren auch bei Vaterschaftstests (siehe Seite 50) die Methode der Wahl: Die Formeln von Vater und Kind werden auf Übereinstimmung überprüft.

Die Wiesbadener Datenbank, eingerichtet aufgrund des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes von 1998, schafft also keine "gläsernen Menschen", ein Vorwurf, den manche Kritiker dennoch mit der Verlässlichkeit gesprungener Schallplatten wiederholen. Ob ein dort erfasster Verurteilter von Erbkrankheiten betroffen ist, verrät sie nicht.

Weil der genetische

Fingerabdruck somit letztlich nichts anderes sei als der altbewährte, aber wesentlich verderblichere Stempelabdruck einer Fingerkuppe, fordern Sicherheitspolitiker von SPD und Union einvernehmlich, die Anwendung des Verfahrens deutlich auszuweiten.

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Christoph Koch