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Walther-Rathenau-Preis für Guido Westerwelle "Klartext nicht den Populisten überlassen" – wie wäre Westerwelle mit den Demagogen umgegangen?

Guido Westerwelle und Michael Mronz
Der Walther-Rathenau-Preis 2018 geht an Guido Westerwelle. Sein langjähriger Lebenspartner Michael Mronz fragt im stern, wie der frühere Außenminister mit dem heutigen Populismus umgegangen wäre
© Maurizio Gambarini / DPA / Picture Alliance, Marius Becker / DPA
Für sein "herausragendes außenpolitisches Lebenswerk" wird der frühere Außenminister Guido Westerwelle posthum mit dem Walther-Rathenau-Preis gewürdigt. Im stern stellt sich sein langjähriger Lebenspartner die Frage: Was hätte Westerwelle zur heutigen politischen Lage gesagt?
Ein Gastbeitrag von Michael Mronz

Mich freut es ganz besonders, dass Guido den Walther-Rathenau-Preis erhält. Der liberale Außenminister Rathenau war 1922 von Nazis ermordet worden, weil er Jude war. Seine eindrucksvolle und visionäre Politik der Aussöhnung nach dem Ersten Weltkrieg war höchst umstritten. Deshalb verstehe ich diesen Preis heute nicht nur als eine Auszeichnung für Leistungen in der Vergangenheit – er ist auch ein Appell für die Zukunft. Und das bringt mich zu einer Frage, die ich mir sehr oft stelle: Was würde Guido heute zur politischen Situation sagen?

Info

Michael Mronz,  Jahrgang 1967, war der Lebenspartner von Guido Westerwelle. Als Sportmanager ist er unter anderem an der Organisation großer Events wie dem größten Reitturnier der Welt (CHIO Aachen) federführend beteiligt. Er ist zudem Vorsitzender der "Westerwelle Foundation", die sich für eine Stärkung der Demokratie einsetzt.

Guido Westerwelle (*1961) war Generalsekretär und Bundesvorsitzender der FDP. Von 2009 bis 2013 war der Jurist Außenminister, bis 2011 auch Vizekanzler. 2016 verstarb er nach schwerer Krankheit in Köln.

Mit dem Walther-Rathenau-Preis werden seit 2008 Personen für "ihr herausragendes außenpolitisches Lebenswerk" gewürdigt. Träger der vom Walther-Rathenau-Institut verliehenen Auszeichnung sind unter anderem Hillary Clinton, Rania Königin von Jordanien und Schimon Peres, 2007 bis 2014 Staatspräsident von Israel.

Europa zerlegt sich gerade vom Brexit bis zur Flüchtlingspolitik. So mancher Politiker versteckt seine Überzeugungen für die europäische Einheit aus Angst vor den Wahlerfolgen der anti-europäischen Populisten. Gerade weil das europäische Projekt in der Krise steckt, werden doch klare Bekenntnisse für Europa mehr denn je gebraucht. Guido war der Auffassung, dass ein halbherziges "ja, aber" ganz bestimmt keine Position ist, die gewählt wird. Darum hörte sich sein Bekenntnis zu Europa stets sehr klar an: "Wenn die Idee der europäischen Einheit nicht mehr als 70 Jahre Frieden gebracht hätte, sie hätte sich schon gelohnt."

Seine Haltungen waren eindeutig

Man kann Guido sicher für einiges kritisieren in seinem politischen Leben, aber nicht für einen Mangel an Klarheit. Dafür musste er oft genug Kritik einstecken. Aber seine Haltungen waren eindeutig und seine Formulierungen deutlich und deshalb attraktiv.

Guido hat immer gesagt: Politiker sind Übersetzer von Politik. Übersetzer von manchmal komplexen Zusammenhängen in eine verständliche Argumentation. Seine Art zu reden war deswegen von einfachen klaren Sätzen und bildhaften Vergleichen geprägt. Zum Beispiel hörte sich das so an: "Demokratischer Sozialismus, das ist wie vegetarischer Schlachthof."

Und Guido hat sich auch nicht eine falsche Agenda von anderen aufdrängen lassen. Ich wünschte mir, dass die deutsche Politik mit der Leidenschaft die Digitalisierung und ihre Herausforderung diskutiert, wie sie bisher die Flüchtlingsthemen diskutiert hat. Das wäre Politik für die Zukunft.

Guido hat auch oft eine Mahnung ausgesprochen: "Hütet euch vor den Leuten in der Politik, die zum Lachen in den Keller gehen." Er hat das schon gesagt, da gab es die AfD noch gar nicht. Und wenn ich mir die so ansehe, dann glaube ich, dass diese Leute mit all ihrer Verkniffenheit noch nicht mal im Keller lachen.

Was hätte Guido Westerwelle zum Populismus gesagt?

Aber ich will auf einen ernsten Punkt hinaus: Die Abkehr von Politik in der Gesellschaft und die Wahl von extremen Parteien haben auch damit zu tun, dass Politiksprech die Menschen nicht mehr erreicht. Wer allerdings wie in den USA als Politiker 50 Millionen Follower auf Twitter hat, der braucht auch keine Fernsehsendung mehr zur Meinungsbildung. Für mich ist Guidos Art zu sprechen, gerade angesichts des Erstarkens von populistischen Kräften mehr denn je gefragt. Wir dürfen doch Klartext nicht jenen überlassen, die damit Schindluder treiben.

Ich weiß nicht, welches Bild Guido heute zur Wahl von Populisten geprägt hätte. In der Sache hätte er bestimmt gefordert: Die Demokraten müssen in ihrer Wortwahl klarer, eindeutiger und mutiger sein als die Demagogen, dann werden sie auch stärker als jeder Populismus.

wue

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