Ukraine-Gespräche Deutsche Beteiligung an Ukraine-Truppe bleibt offen

Merz unterrichtete heute die Unions-Fraktion über die Ukraine-Verhandlungen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Merz unterrichtete heute die Unions-Fraktion über die Ukraine-Verhandlungen. Foto
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Ein Waffenstillstand in der Ukraine ist noch nicht in Sicht. Die Europäer bieten trotzdem für diesen Fall die Entsendung von Soldaten an. Könnte die Bundeswehr dabei eine Rolle spielen?

Auch nach dem gemeinsamen Vorstoß mehrerer europäischer Staaten für eine Ukraine-Truppe zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands bleibt die Frage einer deutschen Beteiligung offen. Die Spitze der Unions-Fraktion erklärte am Tag nach den Ukraine-Verhandlungen, dass dies noch kein Thema sei. "Die Frage einer multinationalen Friedenstruppe stellt sich erst, wenn es tatsächlich Frieden gibt", sagte Fraktionschef Jens Spahn (CDU). 

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schloss eine Entsendung deutscher Soldaten immerhin nicht aus. "Aber der Einsatz von Truppen kommt sehr darauf an, in welchem Setting er stattfindet, in welchem Umfeld, in welchen Aufgabenbereichen", sagte er. 

Verteidigungsminister Boris Pistorius äußerte sich zurückhaltend. Er finde den Vorschlag der Staats- und Regierungschefs im Kern gut, jedoch gebe es viele offene Fragen, machte der SPD-Politiker in Berlin deutlich. 

Soldaten auch für "Operationen innerhalb der Ukraine"

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Staats- und Regierungschefs mehrerer anderer führender europäischer Staaten hatten sich am Montagabend zum Abschluss der zweitägigen Ukraine-Verhandlungen in Berlin auf eine gemeinsame Erklärung verständigt, die Angebote zur Absicherung eines Waffenstillstands enthält. Dazu gehört eine von Europa geführte und den USA unterstützte Truppe, die die ukrainischen Streitkräfte unterstützen und die Sicherheit des Luftraums und der Meere gewährleisten soll. Dies solle "auch durch Operationen innerhalb der Ukraine" geschehen. 

Das bedeutet: Europäische Soldaten kämen auf ukrainischem Boden zum Einsatz. Großbritannien und Frankreich haben sich längst dazu bereit erklärt, sich daran zu beteiligen. Kanzler Merz ist bislang zurückhaltend. Er hob bisher stets die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte hervor und erklärte, dass alle weiteren Fragen später geklärt werden müssten.

Pistorius sieht viele offenen Fragen

Dem Einsatz deutscher Soldaten müsste der Bundestag zustimmen. Deswegen ist die Haltung der beiden Koalitionsfraktionen von Union und SPD entscheidend. Miersch sagte, die bei den Ukraine-Gesprächen in Berlin verabschiedete Erklärung sei sehr breit. Die nächsten Wochen müssten zeigen, was sich daraus ergebe. "Friedrich Merz hat unsere volle Unterstützung in dem, was er jetzt augenblicklich als Initiative hervorgebracht hat, und insofern schließen wir an dieser Stelle nichts aus."

Pistorius sagte, das von den Europäern unterbreitete Angebot sei ein Bekenntnis zur Mitverantwortung. "Wenn (der russische Präsident Wladimir) Putin sagt, wohin er die Reise gehen will, dann werden wir weiter sehen, woraus das im Einzelnen bestehen kann", sagte Pistorius. Offen sei in der Frage einer deutschen Beteiligung ein mögliches Mandat des Bundestags und "unter wessen Kommando findet eigentlich was, wo und in welchem Rahmen statt", sagte er. 

Briten bereiten sich auf Bodentruppe vor

Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey leiteten im Anschluss eine virtuelle Sitzung der Ukraine Defence Contact Group (UDCG), in der mehr als 50 Nationen Militärhilfe für die Ukraine organisieren.

Healey sprach mit Blick auf die Berlin-Gespräche von einem wesentlichen Moment in dem Krieg und Signalen des Fortschritts in den Friedensgesprächen. Er bereite die britischen Streitkräfte vor, "so dass wir einsatzbereit sind, wenn es Frieden gibt - mit Truppen am Boden und Jets in der Luft". Allerdings lasse Putin seine brutalen Angriffe auf die Ukraine fortsetzen. In den vergangenen beiden Monaten seien 20.000 Drohnen und Raketen auf die Ukraine abgefeuert worden.

Zehn Länder zählen zu den Unterzeichnern

Die Militärtruppe ist eine von mehreren Zusagen, die die unterzeichnenden Staaten für den Fall abgeben, dass eine Vereinbarung zur Beendigung des Krieges erzielt wird. Neben Merz unterschrieben die Erklärung auch seine Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Großbritannien, Polen, Italien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden sowie EU-Ratspräsident António Costa und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Von US-Seite gab es zu der Erklärung zunächst keine Stellungnahme. Die USA hatten unlängst ausgeschlossen, sich an einer solchen Truppe zu beteiligen. Trump hatte im Sommer aber gesagt, die Vereinigten Staaten seien bereit, die Verbündeten – etwa aus der Luft – zu unterstützen. Russland lehnt den Einsatz von Truppen zur Überwachung eines Waffenstillstands kategorisch ab.

In der Erklärung der Europäer wird der Ukraine auch "anhaltende und erhebliche Unterstützung" ihrer Streitkräfte zugesichert, die in Friedenszeiten eine Stärke von 800.000 Soldaten haben sollten.

Kreml kommentiert keine Medienberichte über Gespräche

Der Kreml bekräftigte unterdessen seine Ablehnung einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg und wies damit einen Vorstoß von Merz zurück. "Wir wollen Frieden, wir wollen keine Waffenruhe", in der die Ukraine Atem schöpfen und sich auf die Fortsetzung des Kriegs vorbereiten könne, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturen zufolge zur Idee einer Weihnachtswaffenruhe. Russland wolle den Krieg beenden und seine Ziele erreichen. 

Merz hatte Kremlchef Putin am Montag zu einer Waffenruhe in der Ukraine über Weihnachten aufgefordert. Ukrainer, US-Amerikaner und Europäer hatten am Sonntag und Montag in Berlin über eine Friedenslösung für die vor fast vier Jahren von Russland angegriffene Ukraine gesprochen. 

Russische Vertreter waren bei den Gesprächen in Berlin nicht dabei. Moskau habe den Text über Sicherheitsgarantien für die Ukraine noch nicht gesehen und werde keine Medienberichte dazu kommentieren, sagte Peskow.

dpa

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