Wenn sich die Justizminister diese Woche in Leipzig versammeln, wird auch ein Antrag des Saarlands verhandelt. Bund und Länder sollen prüfen, ob Journalistinnen und Journalisten in den Schutzbereich des umkämpften Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches aufgenommen werden. Damit, wird argumentiert, seien sie besser gegen Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung geschützt.
Da der hehre Plan auch mich persönlich als Journalist beträfe, wechsle ich jetzt mal in die Ich-Form. Und sage: danke, aber nein danke!
Denn es wäre nicht nur sinnlos, auf die wachsende Bedrohung von Medienmitarbeitern mit schärferen Gesetzen zu reagieren. Es wäre kontraproduktiv.
An der konkreten Gefährdungslage würde sich nichts ändern. Stattdessen dürfte mit der angeblichen Besserstellung das Verhetzungs-Potenzial nur noch wachsen. So könnten sich einige dazu angestachelt fühlen, erst recht die Grenzen auszutesten.
Journalisten leben immer gefährlicher
Das heißt überhaupt nicht, dass ich das Problem negiere. Ganz im Gegenteil. Journalisten leben auch in Deutschland immer gefährlicher. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" zählte im vergangenen Jahr 89 körperliche Gewalttaten gegen Medienschaffende und Medienhäuser – eine Verdopplung gegenüber 2023.
Und dies waren nur die physischen Attacken, die zumeist von Extremisten ausgingen, von Rechtsradikalen, Islamisten, Linksautonomen. Hinzu kommen die Beschimpfungen auf Demonstrationen, in Leserkommentaren oder natürlich in den sozialen Netzwerken.
Als jemand, der seit Jahrzehnten aus Ostdeutschland berichtet, weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn tausende Menschen um einen herum "Lügenpresse" brüllen oder man Morddrohungen per Postkarte erhält. Ein Kollege wurde nur deshalb nicht verletzt, weil ein Bodyguard, der vorsorglich dabei war, rechtzeitig einschritt. Ein anderer fand Schrauben in den Reifen seines Autos.
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Doch daran würde die diskutierte Gesetzesänderung nichts ändern. Im Gegenteil. Sie würde Journalisten nur noch stärker als Ziel markieren.
Das zeigen die bisherigen Erfahrungen mit dem Paragrafen 188. Er soll "Personen des politischen Lebens gegen Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung" schützen – und hat doch eher dafür gesorgt, dass sich die Angriffe verstärken.
Die Regelung geht zurück auf Hindenburg
Das liegt auch an früheren Verschärfungen. Die ursprüngliche Regelung war ausgerechnet eine Verordnung des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg aus dem Jahr 1931. Sie sollte der "zunehmenden Vergiftung des öffentlichen Lebens durch Verunglimpfung anderer" und "der wachsenden Verhetzung im politischen Kampf" entgegenwirken. Dabei ging es aber – so wie im späteren Strafgesetzbuch der Bundesrepublik – nur um üble Nachrede und Verleumdung.
Doch 2021, zum Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels, wurde der Paragraf verschärft. Seitdem werden auch Beleidigungen gegen Politiker verfolgt, und dies bis in die kommunale Ebene hinein. Zudem handelt es sich nicht mehr nur um ein reines Antragsdelikt. Das heißt, die Behörden können die mutmaßlichen Straftaten nicht nur nach der Anzeige des Betroffenen, sondern auch von Amts wegen verfolgen.
Der bekannteste Fall betrifft Robert Habeck. Vor einem Jahr wurde seinetwegen die Wohnung eines Rentners durchsucht. Das angebliche Vergehen: Er hatte auf X ein Meme repostet, in dem das Porträt des grünen Vizekanzlers, in Anlehnung an ein Shampoo-Logo, mit der Aufschrift "Schwachkopf Professional" versehen war.
Die AfD reagierte prompt
Habeck hatte zwar selbst Anzeige erstattet. Aber die Staatsanwaltschaft war schon zuvor von sich aus tätig geworden.
Nicht nur diese absurde Episode sorgte dafür, dass inzwischen der Paragraf als "Majestätsbeleidigung" ironisiert oder gleich als "Willkür" diffamiert wird. Bei vielen Menschen ist der Eindruck entstanden, dass die Mächtigen auf diese Weise Kritik an ihnen einschränken oder gar verhindern wollen.
Der Eindruck ist falsch. Aber er lässt sich wunderbar instrumentalisieren. Prompt hat die AfD im Bundestag eine Initiative für seine Abschaffung gestartet, wobei sie den inneren Widerspruch, dass ihre Chefin Alice Weidel selbst hunderte 188er-Anzeigen gestellt hat, in bewährter Weise ignorierte.
Jetzt also sollen auch Journalisten dieses zweifelhafte Privileg erhalten, wobei sich daraus schon mal die praktische Frage ergibt, wen es genau beträfe. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, was bekanntlich mit den in Artikel 5 verankerten Grundrechten zu tun hat. Alle Menschen in diesem Land sollen nicht nur frei ihre Meinung äußern dürfen, sondern auch frei publizieren können.
Kein Mensch muss sich beleidigen lassen
Natürlich müssten diese Rechte vor Missbrauch geschützt werden, genauso, wie Journalisten zu schützen sind: durch Verlage, Gewerkschaften und notfalls Polizeibeamte – und ja, auch durch Gerichte, und zwar auf Basis der geltenden Rechtslage.
Zum Beispiel hat es die "Spiegel"-Reporterin Ann-Katrin Müller nicht hingenommen, dass sie der AfD-Bundesvize Stephan Brandner im Netz in verschiedenen Varianten als "Faschistin" bezeichnete. Auf ihr Betreiben hin wurden bereits hohe Ordnungsgelder gegen ihn verhängt.
Doch Brandner will nicht aufgeben. An diesem Dienstag findet in Berlin die nächste Gerichtsverhandlung statt, und ich wünsche der Kollegin alles Gute dafür.
Kein Mensch muss sich in Deutschland beleidigen und verleumden lassen, so regelt es das Strafgesetzbuch in den Paragrafen 185 bis 187. Ein Sonderstatus hilft niemandem, zuallerletzt denen, denen damit geholfen werden soll.