Die Szenerie ist bezeichnend: Wer von der Zuschauertribüne in der großen Halle der Dresdner Messe Richtung Bühne guckt, sieht ganz links im Saal die Delegation aus Nordrhein-Westfalen, ganz rechts hinten die Delegation aus Baden-Württemberg. Und mittendrin, am Redepult auf der Bühne, steht Angela Merkel. Darüber, in großen, weißen Lettern prangt ein Banner: "Deutschland. Erfolgreich. Machen." Eigentlich reicht das schon, um den vernebelten Geist dieses Parteitags zu beschreiben: In der Partei gibt es die Neo-Linken, die Neo-Neo-Liberalen, und dann gibt es die Chefin, die behauptet, dass sich auch die gegensätzlichsten Positionen in eine Form, die CDU, gießen lassen und dann auch noch irgendetwas Einheitliches darstellen.
An Widersinn schwer zu überbieten
Unfug. Was die CDU in Dresden veranstaltet ist, mit Verlaub, an Widersinn schwer zu überbieten. Es ist eine Posse erster Güte. Die CDU-Chefin übertüncht einen wichtigen Richtungsstreit mit nichtssagenden Floskeln. Sie will in die Mitte, die soziale Marktwirtschaft neu definieren. Ja, klar, aber in letzter Konsequenz wird es auch bei dieser Neu-Definition wieder um die gleichen Fragen gehen, die Rüttgers und Oettinger, die Landesfürsten jetzt schon stellen: Wollen wir uns der Illusion hingeben, zurückzukommen in die alte, westdeutsche Wohlfühlzone oder müssen wir liberalere Reformen wagen, um eine moderne, vielleicht auch durchaus soziale Marktwirtschaft zu haben? Wie begegnen wir den Abstiegsängsten der Mittelklasse? Mit alter Rhetorik oder mit neuen Ideen? Tatsächlich drängt die Entscheidung: Die Wähler wollen wissen, wofür die Union steht. Die Parteimitglieder wollen wissen, ob sie sich noch im richtigen Verein befinden. Eine eindeutige Antwort, da hat Merkel Recht, gibt es auf diese Fragen nicht. Jeder große Wurf, da hat sie auch Recht, muss scheitern. Nur: Über die verschiedenen Modelle streiten, das muss man. Nichts ist da schädlicher als Merkels-Konsensrhetorik.
Merkel offenbart eine eklatante Führungsschwäche
Angela Merkel hat mit ihrer Rede eine eklatante Führungsschwäche offenbart, indem sie sich zu einer Politik der Beliebigkeit bekennt. Das wiegt vielleicht am schwersten. Ihre Zaghaftigkeit trat in den vergangenen Wochen offenbar zu Tage, als sie bis zum allerletzten Moment wartete, wie sich Partei und Öffentlichkeit in der Richtungsdebatte positionieren, bevor sie Rüttgers vorsichtig unterstützte. Der CDU erweist sie so keinen guten Dienst. Es scheint, als habe die Chefin nicht verstanden, in was für einer Krise sich die eigene Partei befindet.