Kommentar Der Windelweich-Steinmeier

  • von Hans Peter Schütz
Im Streit um die Agenda 2010 stellt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier hinter Franz Müntefering, winkt aber schon einmal in Richtung Kurt Beck. Diese unklare Positionierung ist ein Armutszeugnis für jemanden wie Steinmeier - und für die gesamte SPD.

Frank-Walter Steinmeier ist ein politischer Akrobat. Er stellt sich im Streit um die Agenda 2010 hinter Franz Müntefering, allerdings so, dass er hinter dessen aufrechter Haltung volle Deckung findet. Gleichzeitig winkt er vorsichtig über Münteferings Schultern hinweg in Richtung SPD-Chef Beck. Keine Bange, Kurt, ich stehe von hier aus auch hinter dir, spätestens auf dem SPD-Parteitag, wo wir ja alle ein gutes Wahlergebnis brauchen. Wer sich so aufstellt, darf sich nicht wundern, wenn keiner klar erkennen kann, wo er wirklich steht.

Das ist ziemlich wenig Stehvermögen für einen, der bereits Bundesminister ist und im Hinterkopf sogar den verwegenen Gedanken hätschelt, es könne eines Tages sogar noch mehr daraus werden, gar ein Kanzler. Das ist blamabel für einen wie Steinmeier, der schließlich Kopf und Organisator der Agenda 2010 war, für die Gerhard Schröder letzten Endes mit dem Verlust der Macht bezahlt hat. Sollte Steinmeier denn seinerzeit nicht alle Sinne klar beisammen gehabt haben, als er mit beschloss, dass älteren Arbeitslosen die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu kürzen sei, um die Unsitte zu beenden, dass ältere Arbeitnehmer auf Kosten der Steuerzahler vorzeitig in die Rente entsorgt werden? Und außerdem hat er für die wachsweiche Position, die er nun öffentlich bezieht, auch noch mehr als ein Woche Bedenkzeit benötigt. Was aber ist Steinmeiers Warnung wert, die SPD dürfe nicht "in alte Zeiten aufbrechen", wenn er exakt genau dies nicht verhindern will?

Eine Partei der "Heulsusen"

Da kommt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück doch noch etwas besser daher. Er ist ebenfalls ein klarer Gegner des Beck-Kurses zurück in den alten spendablen Sozialstaat. Aber wenigstens eiert er nicht auch noch in aller Öffentlichkeit via "Bild" herum wie Steinmeier. Seine Warnung, dass der Parteitag um des lieben Friedens willen mit dem Genossen Kurt nicht die SPD-Bundesminister Müntefering, Tiefensee und Steinbrück beschädigen dürfe, ist berechtigt. Weshalb aber nur hat Steinbrück nicht den Mumm, sich zu seiner Position offensiv zu bekennen? Vermutlich, weil er die SPD unverändert für eine Partei der "Heulsusen" hält, wie er geklagt hat.

Es sei daran erinnert, dass erst vor wenigen Wochen Steinmeier und Steinbrück sich als Herdbewahrer der Agenda 2010, als Repräsentanten einer modernen SPD zu Zeiten der Globalisierung feiern ließen. Stolz präsentierten sie ein Buch mit dem stolzen Titel "Auf der Höhe der Zeit. Soziale Demokratie und Fortschritt im 21. Jahrhundert" in der SPD-Zentrale. Von der alten SPD war dabei keine Rede mehr. Ebenso wenig von einer Abkehr von der Agenda 2010. Fast kamen die beiden Genossen wie die FDP daher: Individueller Aufstieg durch Leistung, der vorsorgende Sozialstaat müsse präventiv in die Menschen investieren. Das Geld, was durch diese Abkehr von der alten Sozialpolitik gespart werden könne, sei besser für höhere Qualifizierung älterer wie jüngerer Arbeitnehmer auszugeben.

Sinnloser Wettbewerb mit der Linkspartei

Es ist doch sinnlos, wenn die SPD glaubt, sie könne die Linkspartei in einem Wettbewerb bekämpfen, bei dem es darum geht, wer am tiefsten in der Topf neuer sozialer Wohltaten greift. Die SPD müsste vielmehr darum kämpfen, dass die so mühsam errungenen neuen Positionen von ihren Wählern akzeptiert werden. Von der Agenda 2010 bis zur Rente 67. Das setzt allerdings eines unabdingbar voraus: SPD-Politiker mit Stehvermögen.