Meinung Söders allerneueste Rolle: der Wadenbeißer für Friedrich Merz

Markus Söder sitzt im Wald, vor ihm steht ein schwarzer Hund.
Markus Söder lässt sich gern mit Hündin Fanny fotografieren. In diesen Tagen aber gibt er lieber selbst den harten Hund
© Daniel Karmann/ / Picture Alliance
Markus Söder schließt nach und nach alle Koalitionspartner für die Union aus. Ärgert er damit den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz? Es gibt noch eine andere Deutung.

Der nimmermüde Markus Söder kann's nicht lassen. Ja, im Spätsommer einigte er sich geradezu friedlich mit Friedrich Merz, was die Kanzlerkandidatur bei der Union angeht. Seither funkt der Franke aber fast täglich ungebetenen Rat nach Berlin. Nun, da die Wahl näher rückt, nimmt er sich die Koalitionsfrage vor. 

Am Wochenende schloss Söder fast alle möglichen Koalitionen für die Union aus. Eine mit den Grünen komme für ihn sowieso nicht infrage; auch die FDP brauche jetzt bitte mal eine Pause. Mit BSW und AfD ist, natürlich, nichts zu machen. Nur die SPD hält Söder offenbar noch für bündnistauglich, aber dann bitte ohne Olaf Scholz. Darf's noch ein bisschen Kaviar dazu sein, Herr Ministerpräsident? 

Stänkert Markus Söder oder steckt mehr dahinter?

Stänkert der Söder so gegen Friedrich Merz? Pflegt er sein gekränktes Ego? Ist ihm einfach langweilig? Mag sein. Womöglich steckt diesmal aber doch mehr als sein Geltungsdrang dahinter.

In der Politik, zumal in Wahlkämpfen, gelten verschiedene Logiken gleichzeitig: Einerseits ist da die auf Stimmenmaximierung ausgelegte Parteilogik. In dieser ergibt zumindest das Ausschließen allseits ungeliebter Bündnisse, Parteien oder Personen Sinn. Als Beispiel: Wer Union wählt, bekommt sicher nichts Grünes dazu.

Andererseits existiert aber die auf ein möglichst breites Durchsetzen eigener Inhalte ausgelegte Verhandlungslogik. In dieser schaden Söders Ausschlussarien der Union langfristig. Wenn Söders Wort wirklich gelten sollte, bliebe nur noch die SPD für eine Koalition, und die könnte einem möglichen Wahlsieger Merz dann die Bedingungen diktieren: Bürgergeldrenovierung? Rentenreform? Schuldenbremse? Die Sozialdemokraten könnten sagen: Entweder es läuft nach unseren Regeln – oder wir sind auch noch weg, Herr Merz. 

Söder beißt alles weg, was als politisch toxisch gilt

Soweit die Theorie. Beim Franken gilt aber immer auch seine eigene, innere Logik. Die ändert sich häufig, manchmal wöchentlich. 2021 hatte Söders innerer Trieb mitgeholfen, die Union in den Abgrund zu manövrieren: Erst stritt der Bayer unnachgiebig und öffentlich mit Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur, dann torpedierte er die Kampagne des Kandidaten bis zum Wahltag. Laschet verlor die Wahl durch eigene Fehler schon selbst, aber Söder erschwerte ihm das Rennen zusätzlich.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch seine neuesten Einwürfe kann man lesen, als wolle Söder seinen Bezwinger Friedrich Merz einmauern, ihm schaden. Mag sein. Allerdings gibt es diesmal auch eine andere Deutung. Sie geht so: Söder spielt diesmal den harten Hund für seinen Chef, macht das, was Merz nicht selbst machen kann. Tritt öffentlich großspurig auf, ordnet sich eigentlich aber unter. Nach und nach beißt der bayerische Ministerpräsident für Merz alles weg, was im Ampel-Deutschland als politisch toxisch gilt: Grüne, Lindner-FDP, Scholz. 

Kann sein, der Störenfried Söder meldet sich noch. Dagegen spricht: Das Verhältnis zwischen Söder und Merz ist ein anderes als zwischen Laschet und Söder. Merz spricht mit weniger Herablassung als sein Vorgänger über den bayerischen Ministerpräsidenten. Beide telefonieren häufiger, stimmen sich ab. 

Freilich halten viele Söder in der Union weiterhin für unberechenbar; freilich wird der CSU-Mann auf seine eigenen tollen Umfragewerte verweisen, wird immer mal wieder Spitzen setzen. Aber gegen seine jetzige Rolle hat wohl kaum einer in der Schwesterpartei etwas einzuwenden.

Merz kann den Brückenbauer geben

Im Wahlkampf können Söders Attacken auf alle möglichen Partner die Zahl der Unionsstimmen mehren. Nach der Wahl dürfte Söders Meinung in der öffentlichen Wahrnehmung dann doch unwichtig genug sein, als dass Friedrich Merz nicht doch auf die Grünen oder die FDP zugehen könnte. 

Zumindest, wenn Söder die Wadenbeißer-Rolle bis dahin erträgt. Er selbst hat wenig zu verlieren, bleibt mindestens mal als unterhaltsamer Bulli aus Bayern im Gespräch und kann sich – ganz der Kostümliebhaber, der er ist – lautstark in seiner neuesten Verkleidung profilieren. Wuff!

Friedrich Merz dagegen braucht sich mit derlei gar nicht er zu beschäftigen; er gibt lieber den Brückenbauer. 

Auch als Shrek war Söder schon verkleidet

Hier ein freundlicher Satz über Robert Habeck, dort etwas Mitleid für die FDP und dazu noch ein wenig Understatement bei der Frage, ob absolute Mehrheiten für die Union womöglich in Reichweite liegen. Bloß keine Fehler machen, bloß nicht überziehen. Dann wird das schon mit der Kanzlerschaft.

Wahrscheinlich trägt Karnevalist Söder bis dahin sowieso ein ganz neues Kostüm. Als knallgrüner Shrek war er ja auch schon mal verkleidet.