Nach dem schwarz-gelben Atomkompromiss fordern Stadtwerke und kommunale Versorger einen finanziellen Ausgleich für mögliche Milliardenschäden durch die längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke. Sie befürchten eine Gefahr für ihre Investitionen in umweltfreundliche Energieerzeugung. Auch die Windenergiebetreiber rechnen mit negativen Folgen.
In der Nacht zum Montag hatten sich die Spitzen von Union und FDP auf eine Laufzeitverlängerung um 14 Jahre für neuere Kernkraftwerke - ab Baujahr 1980 - verständigt. Die letzten Meiler dürften damit 2040 oder sogar später abgeschaltet werden. Ältere Anlagen können acht Jahre länger am Netz bleiben als bisher geplant. Die Atomindustrie soll langfristig bis zu 15 Milliarden Euro für einen Fonds zum Ausbau erneuerbarer Energien beisteuern.
Dazu kommt die neue Brennelementesteuer, die von 2011 bis 2016 pro Jahr 2,3 Milliarden in die Bundeskasse spülen soll. Ob es wirklich so viel wird? Bisher sah der Gesetzesentwurf vor, 220 Euro pro Gramm Uran von den Stromkonzernen zu verlangen. Nun sollen es nur 145 Euro sein. Zudem sollen die Konzerne die Zahlung von der Körperschaftssteuer absetzen können. So sagte ein Sprecher des Bundesfinanzminsteriums zwar, bei einer isolierten Betrachtung der Brennelementesteuer bleibe es bei den 2,3 Milliarden. Durch die Absetzbarkeit fielen die Nettoeinnahmen für den Staat aber geringer aus.
Stadtwerke erwarten hohe Schäden
Als ein Verlierer der energiepolitischen "Revolution", als die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Einigung bezeichnet hatte, gelten die Stadtwerke. Sie erwarten durch die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke einen Milliardenschaden. Albert Filbert, Chef des Darmstädter Versorgers HSE, sagte der "Berliner Zeitung", die Auslastung des Kraftwerkparks der Unternehmen sinke durch die längeren AKW-Laufzeiten deutlich. "Den Schaden für kommunale Versorger durch die zwölfjährige Laufzeitverlängerung schätzen wir auf 4,5 Milliarden Euro." Die kommunalen Versorger strebten nun Kompensationszahlungen an, sagte Filbert, der der Stadtwerkevereinigung 8KU vorsteht.
Städtetags-Präsidentin Petra Roth sagte der "Passauer Neuen Presse": "Die Städte und ihre Unternehmen investieren in großem Umfang in umweltfreundliche Energieerzeugung." Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke dürften diese Investitionen nicht gefährden. Deshalb brauchten die Stadtwerke eine Kompensation. "Eine Laufzeitverlängerung ohne Ausgleich verbessert ausschließlich die Wettbewerbsposition der großen Energieversorger", sagte die CDU-Politikerin. Nach Angaben von Roth rechnen die städtischen Haushalte durch die Brennelementesteuer mit jährlich 300 Millionen Euro weniger Gewerbesteuereinnahmen.
Einem geht es nicht weit genug
Nicht nur von Roth gab es Kritik aus Unions-Reihen. Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsunion, Josef Schlarmann, nahm eine Außenseiterposition ein und kritisierte den Atomkompromiss der Bundesregierung als unzureichend. Er fordert, die Kernkraftwerke unbefristet weiterlaufen zu lassen. "Wir hätten uns ein klareres Bekenntnis zur Gleichbehandlung aller Energiearten, also auch der Kernenergie, gewünscht", sagte Schlarmann dem "Hamburger Abendblatt"."
Derweil will sich der Bundesumweltminister, der für geringere Laufzeitverlängerungen plädiert hatte, nicht lange mit seiner Niederlage aufhalten. Er richtet den Blick nach vorne - auf den Atommüll, der jetzt noch reichhaltiger anfallen wird. Dazu habe er die Erkundung im möglichen Atommüllendlager Gorleben wiederaufnehmen lassen, sagte Norbert Röttgen in den "ARD-Tagesthemen" am Montagabend. Anders als seine Vorgänger wolle er die Entsorgungsfrage "nicht einfach unseren Kindern ungelöst vor die Füße schütten".
Für Schwarz-Grün könnte der Beschluss einen herben Rückschlag bedeuten. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast stellte künftige Bündnisse mit der Union grundsätzlich in Frage: "Wir haben immer gesagt, dass diese Atomenergiefrage natürlich die Möglichkeiten für Schwarz-Grün verschlechtert", sagte sie am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Mit Blick auf Merkels vollmundige Äußerung spottete die Grüne: "Das ist die erste Revolution in diesem Land, die rückwärts geht."