Pressestimmen "Ein Steinfeld des Anstoßes"

Die Londoner "Times" schätzt am Berliner Mahnmal, dass es kein Ort zum Feiern, sondern zum Nachdenken ist. Genau das aber bezweifelt die "Thüringer Allgemeine".

"Times" (London):
"Sein Holocaust-Mahnmal, das gestern in Berlin eingeweiht wurde, zollt einer simplen Wahrheit einen eindrucksvollen Tribut: An die sechs Millionen Juden, die von der Nazi-Regierung vor mehr als 60 Jahren ermordet wurden, muss täglich bewusst erinnert werden. Wir sind mehr an Denkmäler gewohnt, die glorifizieren: übergroße Statuen von Churchill oder Nelson, ein Soldat auf dem Rücken eines Pferdes, ein Regent auf seinem Thron. In Berlin werden wir aufgefordert, nicht zu feiern, sondern nachzudenken. Wie das Vietnam-Mahnmal von Maya Lin in Washington entbietet es den Toten ein kleines bisschen Gerechtigkeit."

"Berliner Zeitung"


"Das Holocaust-Mahnmal wird seinen Namen nur dann zu Recht tragen, wenn es als eine Art Wegweiser dient zu den Orten, an denen die NS-Verbrechen begangen und der Völkermord nicht nur an den Juden geplant wurde. Wenn es hilft, aus der von ihm so der gelernte Ästhetiker Wolfgang Thierse symbolisierten "Unfasslichkeit des Verbrechens" herauszuhelfen, in dem es uns zu den Gedenkstätten und Museen führt, in denen wir erfahren, was damals geplant und getan wurde."

"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg)
"Gerade weil Worte angesichts der Taten nicht ausreichen, weil sie mit der Zeit leise und auch opportunistischer werden, brauchte es dieses Denkmal in Berlin. Doch schon Ignaz Bubis hatte recht: Die Juden selbst brauchen dieses Stelenfeld am falschen Ort nicht. Es ist ein Mahnmal der Lebenden und für die Lebenden. Kein Schluss-Stein, viel mehr ein Steinfeld des Anstoßes."

"Sächsische Zeitung" (Dresden)


"Je länger die Shoa zurückliegt, je mehr werden die Nazi-Verbrechen für Nachgeborene zu geschichtlichen Ereignissen. Das Berliner Denkmal ist sicher "anstößig" genug, um zu beunruhigen. Es enthebt aber nicht von der Aufgabe, die von Wissen gestützte Erinnerung an deutsche Taten und Täter zu vermitteln. Dieser dauernden Erinnerung aber bedarf es, um eine Wiederholung zu verhindern."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Thüringer Allgemeine" (Erfurt)
"Der Platz dieses Monuments im Todesstreifen der einstigen Grenze ist kein authentischer Ort, es sagt auch nichts über die Opfer und - was die Überlebenden noch mehr empört - nichts über die Täter. Folglich wird niemand zum Nachdenken gezwungen, warum die Deutschen einst den Juden alles raubten, einschließlich des Lebens. Unbeantwortet blieb ebenso die Frage, warum einmal mehr der Mord an den Sinti und Roma, den Homosexuellen, den geistig Behinderten übergangen wurde. Die bedrückende Enge zwischen den 2711 Stelen schafft aber einen Raum, in dem auch die künftigen Generationen erinnert werden, wie durch Rassenwahn und Fanatismus Millionen Menschen in den Sog von Verbrechen gezogen und Mittäter wurden. Bestehen bleibt die ewige Mahnung, dass jeder für das verantwortlich ist, was er tut und sich nicht herausreden kann auf höheren Befehl."´

"Die Welt" (Berlin)


"Architekt Peter Eisenman hat zu viel Humor und zu wenig Prätention, den Deutschen einen erhobenen Zeigefinger in ihre Stadtmitte zu setzen. Woran man denkt, wenn man allein zwischen den grauen Dominosteinen geht das bleibt eine Privatsache, man büßt hier nicht. Es gibt keine Kranzabwurfstelle, kein Zentrum zum Knien, keine Einschüchterung. Dies ist auch keine entschuldigende Geste von den Deutschen an die Juden. Wie frivol wäre das! Hier gibt die Berliner Republik ihrer Trauer über den Mord an den europäischen Juden Ausdruck. Die Chancen, dass dies ein Ort wird, zu dem man gerne geht, stehen nicht schlecht."