Nach Ansicht von Armin Schmidtke von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention spricht vieles für einen Freitod Möllemanns. Den Entschluss könnte dieser schon vor einiger Zeit gefasst haben.
Der erzwungene Rückzug von den politischen Ämtern, der Bruch mit der eigenen Partei, der Rückzug ehemaliger Kollegen und Freunde, der Verlust der Lebensperspektive, all das führt laut Schmidtke mehr oder oder weniger zu einer Situation, wo es "kein Licht am Ende des Tunnels" gibt. Spekulationen über eine "Kurzschlussentscheidung“ Möllemanns seien daher eher abwegig, so der Würzburger Psychologie-Professor. Vielmehr sei es typisch für Selbstmörder, dass bei ihnen nach dem Entschluss "eine Ruhe vor dem Sturm" herrsche.
Für außen Stehende Gefahr schwer erkennbar
Möglicherweise habe bei Möllemann zuletzt etwas "das Fass zum Überlaufen gebracht", wie es Schmidtke ausdrückt. Für außen Stehende ist die Gefahr dann natürlich schwer erkennbar. Anzeichen für eine Depression waren jedenfalls bei Möllemann, der noch am letzten Sonntag in der Talkshow "Sabine Christiansen" selbstbewusst auftrat, nach Meinung der meisten Beobachter nicht erkennbar.
Auf der anderen Seite war Möllemann in seiner Lebenskrise ganz offiziell und lange Zeit Patient - als er im letzten Oktober kurz vor dem FDP-Sonderparteitag mit Herzbeschwerden ins Krankenhaus kam. Ob das eine psychosomatische Reaktion war, ist laut Schmidtke Spekulation, aber "so ganz von der Hand zu weisen ist das nicht", sagt er. Ähnliche Reaktionen seien in solchen Situationen jedenfalls häufig.
Der Patient Möllemann
Für den Bielefelder Psychologen Werner Wilk war Möllemann zuletzt der Patient, dessen Bild von sich selbst so gar nicht mehr mit dem in der Öffentlichkeit übereinstimmen will. Psychotherapie hätte hier eingreifen können. "In der Therapie wird der Mensch wieder an ein realistisches Bild von sich zurückgeführt, damit er ein gesundes Selbstbewusstsein erlangt", erklärt Wilk.
Voraussetzung sei aber, dass der Patient anerkennt, dass er krank ist. Und damit hatte Möllemann womöglich ein Problem. Denn typische männliche Patienten wollen den ärztlichen Rat oft einfach nicht annehmen. Möllemann war nicht nur passionierter Fallschirmspringer und ein ehrgeiziger Politiker, sondern auch Reserveoffizier bei den Fallschirmjägern der Bundeswehr. "Jemand, der so tough ist, nimmt schwerlich Hilfe in Anspruch", mutmaßt Schmidtke.

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Das Fehlen eines Abschiedsbriefes ist für den Würzburger Experten übrigens kein sicheres Indiz gegen einen Suizid. Grundsätzlich gelte zwar die Formel "kein Suizid ohne Botschaft". Die Botschaft könne aber auch die Wahl der Form des Freitods sein. Und dafür spricht in Möllemanns Fall natürlich eine ganze Menge.
Internetforen "raten" zur "Fallschirm-Methode"
Schlimmstenfalls befürchtet Schmidtke Auswirkungen wie beim Tod des einstigen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Nachdem dieser 1987 tot in der Badewanne seines Genfer Hotelzimmers aufgefunden wurde, ertränkten sich nach Schmidtkes Worten einige Menschen auf ähnliche Weise. In manchen Internetforen werde bereits zur "Fallschirm-Methode" geraten, gibt der Experte zu bedenken.