Ein Waldorf-Landschulheim inmitten von Apfelplantagen. 20 Hektar, zehn Gebäude, idyllisch gelegen am Rande des brandenburgischen Örtchens Rauen. Draußen zirpen die Grillen, und drinnen singen die Kinder nationalgesinnter Familien das Deutschlandlied. So stellt sich NPD-Bundesvorstandsmitglied Andreas Molau offenbar seine berufliche und private Zukunft vor. Und: Anfang nächsten Jahres könnte der Schulbetrieb losgehen. Theoretisch.
"Künstlerische, kulturelle und politische Seminare"
Molaus Ehefrau Gonda hat über eine schwedische Firma ein Gelände gekauft, das bis vor zwei Jahren als Landhotel mit anliegender Diskothek genutzt wurde. Angeblicher Kaufpreis: 200.000 Euro. Ein Preis, den Molau offenbar gerne bereit ist zu zahlen, scheint die Immobilie doch genau seinen Vorstellungen zu entsprechen. "Das Gut Johannesberg bietet beste Voraussetzungen für Jugend- und Erwachsenenbildung.", schreibt der 39-Jährige in einem offenen Brief an die Einwohner von Rauen und verspricht: "Nach einer Renovierung könnten hier künstlerische, kulturelle und politische Seminare und Freizeitangebote auch für die umliegende Bevölkerung angeboten werden". Doch die Rauener Bürger sind skeptisch, und nicht nur sie.
Von Sicherheitsexperten und linken Gruppen wird befürchtet, in Rauen könnte eine rechtsextreme Kaderschmiede mit angeschlossenem Wehrsportbetrieb errichtet werden. Die Sorge ist nicht unbegründet. Nach einem Bericht der "Märkischen Allgemeinen" inspizierte kürzlich der Berliner NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuninger die Immobilie und kündigte an, demnächst öfter in Rauen zu sein. Ob sich die Bewohner auf wiederholten Besuch des NPDlers freuen, ist angesichts von Bräuningers Vita fraglich. So wird ihm nachgesagt, er habe während des Kroatien-Krieges als Söldner den Umgang mit Waffen trainiert. Zum Image einer Waldorfschule passt das freilich nicht.
Brandenburgische Regierung lehnt Projekt ab
Um sein Image fürchtet offenbar auch das Bundesland Brandenburg: Die Regierung will verhindern, dass Molaus Träume Wirklichkeit werden. Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp erklärte umgehend, man werde die für den Betrieb einer freien Schule notwendige Genehmigung keinesfalls erteilen. Denn neben einer Ausrichtung am pädagogischen Gesamtkonzept des Landes müsse auch die fachliche Zuverlässigkeit nachgewiesen werden. Und gerade da hat das brandenburgische Bildungsministerium so seine Zweifel.
"Steiner hat stets völkisch argumentiert"
Acht Jahre lang unterrichtete Molau als Lehrer und Erzieher an einer Waldorfschule in Braunschweig, zuständig für die Fächer Deutsch, Geschichte, Musik und Politik. Als allerdings seine Zusammenarbeit mit der nationaldemokratischen Zeitung "Deutsche Stimme" bekannt wurde, erhielt er die Kündigung. Welchen Anspruch Molau an die Bildungs- und Erziehungsziele seiner künftigen Schule stellt, wird aus einer Erklärung deutlich, die die NPD gestern veröffentlichte. Auf diesem Wege ließ Molau mitteilen, er wolle demnächst die Zusammenhänge zwischen der Waldorfpädagogik Rudolf Steiners und "modernem Nationalsozialismus" beleuchten. "Steiner hat stets völkisch argumentiert", hieß es. "So betont er nicht umsonst die Differenzen von Rassen und Völkern. Die ganze Waldorfschulpädagogik ist von dem Begriff der geliebten Autorität geprägt." Wer im Fall des Waldorf-Landschulheimes Rauen die geliebte Autorität sein soll, ließ Molau, der auch Spitzenkandidat der NPD für den niedersächsischen Landtag ist, offen.
Christian Böttger, Geschäftsführer des "Bundes der Waldorfschulen", hat sich bereits gegen "die missbräuchliche Verwendung des Namens Waldorfschule" für Molaus Projekt gewehrt und gesagt, die Pädagogik im Sinne Steiners habe nichts mit rechtem Gedankenhut zu tun.
Rauen stellt sich quer
Zunächst setzt Molau alles daran, die rechte Kaderschmiede überhaupt durchzusetzen. Und da sieht es mau aus. Während der rechte Lehrer öffentlich an die Bevölkerung appelliert, das Projekt mit "Sachunterstützung und praktischer Mitarbeit" voranzubringen, prüft der Landesverfassungsschutz die Vorgänge um den Verkauf des Landgutes. Auch die Gemeindeverwaltung stellt sich quer. Der bestehende Flächennutzungsplan weist das Gebiet im Außenbereich von Rauen als "Sondergbiet Freizeit und Erholung" aus. Die Gemeinde könnte die Nutzungsrechte für den Bereich, in dem die Immobilie liegt, so ändern, dass sie für den angepeilten Zweck nicht mehr nutzbar ist. Molau will den Plänen juristisch begegnen. So kündigte er an, er wolle gerichtlich gegen die Gemeindevertretung vorgehen, weil sie unter Verletzung des Datenschutzes Informationen zum Vertrag an die Öffentlichkeit getragen hätten.
Die Verhinderung des NPD-nahen Konzepts für Rauen sei weniger eine juristische als eine politische Angelegenheit, gab hingegen der Rechtsextremismus-Experte der "Linken-Fraktion" im Potsdamer Landtag, Andreas Bernig, zu bedenken.