Dirk Niebel ist gelernter Diplom-Verwaltungswirt, er war mal Minister für Entwicklungshilfe und wirkt heute als Cheflobbyist beim Rüstungskonzern Rheinmetall. Seit einiger Zeit darf der FDP-Politiker überdies den Titel eines Ehrendoktors tragen. Den hat ihm vor zwei Jahren die Universität im südalbanischen Vlora verliehen.
Den Titel der Bildungseinrichtung aus dem Land der Skipetaren kann der Rüstungslobbyist Niebel nun bei der Anbahnung internationaler Geschäfte nutzen. Zum Beispiel mit der Kaukasusrepublik Aserbaidschan. Anfang April ließ deren Botschafter in Berlin per Twitter verbreiten, wen er gerade zum Gespräch getroffen habe: keinen Geringeren als "Dr. h.c. Dirk Niebel".
Rheinmetall bestätigt Pläne
Über die Themen der Begegnung ließ der Diplomat nichts verlauten; einen Tag später hatte die Botschaft den ganzen Tweet wieder gelöscht. Aber jetzt, Mitte Juni, verbreiteten aserbaidschanische Medien neue Nachrichten. Yavar Jamalov, der Minister des Landes für Rüstungswirtschaft, habe eine Absichtserklärung "mit der deutschen Firma Rheinmetall" geschlossen, über eine künftige "bilaterale Kooperation".

Fotos der Unterzeichnungszeremonie, die auf Facebook zu finden sind, zeigen den aserbaidschanischen Minister mit dem Rheinmetall-Manager John Taylor auf der Rüstungsmesse Eurosatory bei Paris: links ein deutsches Fähnchen, rechts die Flagge von Aserbaidschan, im Hintergrund ein Schaukasten mit Munition. Auf einem weiteren Bild sieht man den aserbaidschanischen Minister mit dem Spielzeugmodell eines Panzers unbekannten Typs. Es ähnelt entfernt dem von Rheinmetall produzierten "Boxer".
In Berlin haben diese Meldungen einige alarmiert. Denn Aserbaidschan ist nicht nur berüchtigt für den autokratischen Regierungsstil von Alleinherrscher Ilham Alijew. Für das Land gilt auch ein offizielles Waffenembargo der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Verhängt wurde es bereits im Jahr 1992, als zwischen Aserbaidschan und Armenien blutige Kämpfe um die Region Berg Karabach ausbrachen. Armenien hält seitdem aserbaidschanisches Territorium besetzt. Der Kriegszustand wurde nie offiziell beendet, immer wieder flackern Kämpfe auf. Erst dieser Tage twitterte die aserbaidschanische Botschaft in Berlin über den "armenischen Terror".

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von den Linken verlangt jetzt von der Bundesregierung, sie solle "sicherstellen", dass die Rheinmetall AG nicht "die deutsche Rüstungsexportkontrolle umgeht und das Waffenembargo der OSZE gegen Aserbaidschan unterläuft". Ausfuhren von Rüstungsgütern nach Aserbaidschan genehmige man "nur in Ausnahmefällen", versichert das Bundeswirtschaftsministerium. Was genau würde Rheinmetall gerne in das Land am Kaukasus liefern? Nachdem der stern Ende Juni über das Protokoll berichtet hatte, bestätigte Rheinmetall die Pläne gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters und ergänzte, in der Vereinbarung sei "ausdrücklich festgehalten, dass nur Leistungen erbracht werden, die nicht unter die Embargo-Regeln fallen".
Aserbaidschan ist reich an Öl und Gas und darum potenziell ein zahlungskräftiger Kunde – offenbar auch für Rheinmetall. Der Engländer John Taylor, der die neue Vereinbarung unterzeichnete, leitet bei dem deutschen Konzern die Rheinmetall International Holding AG in der Schweiz, über die auch der umstrittene Deal mit einem Partnerunternehmen in der Türkei eingefädelt wurde. Dort möchte Rheinmetall laut internen Planspielen künftig helfen, Panzer für die Armee von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu bauen – aber auch Militärgerät für den Export.
Gemeinsame Militärmanöver
Aserbaidschan wäre sicher interessiert. Das turksprachige Land und die Türkei sind Verbündete und hielten erst kürzlich gemeinsame Militärmanöver ab. Die Türkei und Aserbaidschan seien "eine Familie", sagte vor einigen Jahren der damalige türkische Premierminister.
Rheinmetall möchte bei dieser Familie offensichtlich dazugehören.