Wahlkampf bedeutet Auftritte. Für Robert Habeck derzeit: World Wide Wohnzimmer, Hand of Blood auf Twitch - und jetzt auch noch Stefan Raab. In dessen neuer RTL-Show "Du gewinnst hier nicht die Million" findet sich der Wirtschaftsminister am Mittwochabend in einer merkwürdigen Zwischenwelt wieder: Mal soll er über Wahlkampfstrategien sprechen, dann wieder gute Miene zum merkwürdigen Spiel machen, wenn Raab einen Grünen-Wahlkampfsong mit der Zeile "green as fuck" präsentiert.
Bevor Robert Habeck in die Sendung kommt, spielt Raab sein Comedy-Programm ab: Er spricht über das Kanzlerduell vom Sonntag (Raab legt Snapchat-Filter über die Gesichter von Olaf Scholz und Friedrich Merz).
Über das Dschungelcamp ("Ich wollte unbedingt wissen, ob die Alte mit der Botox-Visage gewonnen hat … Ich höre gerade, die kann gar nicht gewinnen, das ist die Moderatorin.")
Raab geht in einem Einspieler durch die Zentrale von RTL (Raab fragt einen Mann, wie heißen sie: "Herr Bell." Raab: "Können Sie das mal machen für mich?" "Was?" "Bellen.")
Und dann betont der Moderator, er sei Demokrat, bei ihm könnte jeder kommen. Aber heute, da kommt nur Robert Habeck. Raab holt Werbeartikel der Grünen heraus, eine Mütze, einen Schal, ein Kondom ("Die Grünen, die alten Schnaxel-Heinis").
Dann kommt er endlich: Habeck, in schwarzem Pulli. Der Wirtschaftsminister wirkt fast ein bisschen verloren in Raabs neuer Show. "Schön, dass Sie Zeit gefunden haben", begrüßt Raab ihn. "Lag auf dem Weg", kontert Habeck. Aber Raab wäre nicht Raab, wenn er nicht gleich nachlegen würde: "Gehen Sie noch mal raus, kommen Sie wieder rein, das machen wir noch mal." Habeck spielt mit, tut so, als ob er tatsächlich noch mal rausginge. Irgendwie witzig.
Als Raab ihn auf sein Potpourri an Fernseh-, Podcast-, Youtube- und Twitch-Auftritten, anspricht und fragt, ob sein Team sich mit ihm abspricht, zuckt Habeck mit den Schultern: "Nee, das passiert so. So wie ich mich manchmal selbst wundere, in welchen Shows ich bin." Hier merkt man das. Am Anfang des Interviews spricht der Politiker den Sendungstitel immer wieder falsch aus ("Du kriegst hier nicht die Millionen"). Raab ist sichtlich, und vermutlich zu Recht, beleidigt: "Aber ein bisschen hätten Sie sich vorbereiten können." Habeck lässt sich nicht unterbuttern: "Ist halt ein sperriger Titel." Aber ganz ehrlich: Der Kanzlerkandidat ist in vielen Formaten, klar, aber man könnte schon wissen, in welcher Sendung man gerade auftritt.

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Robert Habeck scherzt bei Stefan Raab: "Die nächste Sendung dann in Handschellen?"
Der Minister und Kanzlerkandidat gibt sich entspannt, sitzt mit überkreuzten Beinen da, den Arm lässig über die Stuhllehne gelegt. Vielleicht ein bisschen zu entspannt, fast als würde er etwas überspielen wollen. Als Raab ihn einmal anfasst, spottet: "Das war leicht respektlos", da wird Habeck beinahe selbstironisch. Er sagt, in – unbewusster oder bewusster – Anspielung auf den Anzeigenskandal, in dem Robert Habeck Tausende Strafanzeigen wegen Beleidigung aufgab: "Draußen stehen meine Sicherheitsbeamten", und neckt Raab: "Die nächste Sendung dann in Handschellen?"
Raab legt nach und präsentiert einen eigens komponierten "Grünen-Song". "Robert Habeck, green as fuck", so singt es der Raab, während der Minister zwischen peinlich berührt und amüsiert hin und her zu schwanken scheint.
Als Raab dann auch noch einen Vergleichssong für die FDP herausholt ("Christian Lindner ist 'ne Lusche, aber das ist mir scheißegal"), kann sich selbst der Minister das Lachen nicht verkneifen: "Da bin ich aber froh, dass ich nicht Christian Lindner bin." Der Grüne wird sogar etwas überparteilich: "Man muss jetzt als Schiedsrichter sagen, das war schon ein bisschen fairer für uns".
Zwischen den Comedy-Einlagen versucht Raab auch mal ernst zu werden, fragt nach Wahlkampfstrategien und möglichen Ministerposten. Habeck pariert professionell, spricht von "verschiedenen Kanälen" und dass er nicht über Posten nachdenke, nur über den Wahlkampf. Dass ihn das manchmal nervt, lässt er zumindest unterschwellig durchblicken.
Am Ende sitzt der Wirtschaftsminister dann neben Raab noch mit Barbara Schöneberger zusammen, die auch vorbeischaut. Immerhin muss Raab bewerben, dass Schöneberger seine Freitagssendung moderiert. Darin sucht Raab den deutschen ESC-Act aus. Fast wirkt Habeck wie ein Fremdkörper zwischen den beiden Entertainern. Als Schöneberger fragt, wen Raab denn jetzt wähle – bis jetzt hatte er die Frage vom Anfang wohl vergessen –, kommt die ausweichende Antwort: "Ich wähl’ den Hässlichen." Wen er meint, das sagt Raab nicht.
Besonders niveauvoll in seinem Humor ist der Entertainer den gesamten Abend nicht, aber dieser Witz sitzt gar nicht. Warum soll einer der drei Kanzlerkandidaten (Alice Weidel kann ja nicht mit "der Hässliche" gemeint sein) hässlich sein? Soll das Humor sein?
Eine letzte Frage hat der Entertainer noch: "Was ist mit der Milliardärssteuer, ich frage für einen Freund." Robert Habeck antwortet darauf nicht mehr.
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