SPD-Fraktionsvorsitzender Der Bodyguard des Kanzlers – die heikle Rolle von Rolf Mützenich

Portrait Mützenich
SPD-Fraktionschef Mützenich: Im Dienste des Kanzlers
© Kay Nietfeld / Picture Alliance / DPA
Wie kein anderer beschützt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den wankenden Kanzler und bringt die Sozialdemokraten auf Linie. Zweifelt dieser Mann nie?

Am Freitagmorgen der vergangenen Woche empfängt Rolf Mützenich in seinem Büro im Bundestag. Ein Tee, ein paar Kekse. Und dazu düstere Nachrichten. Hinter ihm liegt wieder eine harte Woche. Kanzler schützen, Laden zusammenhalten, Kritik abfedern. Je größer die Krise der Regierung, desto wichtiger Mützenich. Also: Wie soll es weitergehen mit der Bundesregierung? Geht da überhaupt noch was?

Seine Laune war schon mal besser. Manche in der Koalition, so sieht es Mützenich, versuchten gerade, Olaf Scholz zu schaden, um ihrerseits voranzukommen; probierten, Scholz' Raum einzuengen, um selbst Geländegewinne zu erzielen. Mützenich will den Raum verteidigen. Nun, da die Ampel auf der Kippe steht, sieht er darin seine Verantwortung, seine Verpflichtung auch. 

Rolf Mützenich Portrait bei einer Ansprache im Bundestag
Rolf Mützenich, 64, regiert seine Bundestagsfraktion mit neuer Härte
© Michael Kappeler / Picture Alliance / DPA

"Als SPD-Fraktionschef", stellt er klar, "werde ich keinen sozialdemokratischen Bundeskanzler gefährden."

Die Botschaft: Ich stehe dem Chef zur Seite, komme, was wolle. Wer ihm an den Kragen will, muss zuerst an mir vorbei. Am Bodyguard des Bundeskanzlers.

Mützenich verschwindet kurz im Hinterzimmer des Büros, um seine Krawatte loszuwerden. Das Sakko tauscht er gegen einen Pulli. Lockere Kleidung, aber keine lockere Haltung, der 64-Jährige muss jetzt grundsätzlich warnen: "Einige in der Koalition denken das Ende nicht mit." Vieles sei ins Wanken geraten, die Zeit schwierig, Loyalität aber deshalb besonders wichtig. Ob bei Waffenlieferungen oder Haushaltsfragen: Der Kanzler müsse sorgfältig abwägen können, findet Rolf Mützenich. Ohne politische Störmanöver. "Je stärker man die Souveränität eines Regierungschefs einschränkt", mahnt er, "desto schwieriger wird es auch für die Koalition." Und schwierig ist kein Ausdruck für die Lage, in der sich das Bündnis derzeit befindet und mit ihm der Kanzler. Aber ohne Mützenich wäre die Lage für Scholz wohl noch verfahrener. Der Fraktionsvorsitzende hat eine bemerkenswerte Wandlung hinter sich. Er, lange ein eher zurückhaltender Fachpolitiker, ist kurz vor Karriereschluss zur vielleicht wichtigsten Stütze des wankenden Kanzlers geworden.

Für Scholz ein Segen, für die SPD ein Risiko

Kein Regierungschef war unbeliebter, seit dieser Wert erhoben wird. Ein Großteil der Befragten ist mit dieser Regierung unzufrieden. Die FDP flirtet mit dem Bruch, die Grünen trifft der Volkszorn, die SPD wirkt nervös. Eine gefährliche Mischung, insbesondere in einem Jahr mit einer Europa- und drei Landtagswahlen.

Wie lange der Schwur von SPD, FDP und Grünen noch hält, ist eine Frage, die in Berlin längst nicht mehr als Unsinn abgetan wird. Während die Wirtschaft abrutscht und die politischen Ränder erstarken, zoffen die Koalitionäre weiter, grundsätzlicher denn je. Die zentralen Streitthemen, die Scholz noch vor einem Monat weitgehend abgeräumt glaubte, schlagen wieder durch. Der Haushalt, die Schuldenbremse, die Frage der Waffenlieferungen.

Mützenichs Rolle mag für Scholz ein Segen sein, für die SPD ist sie ein Risiko. Der Fraktionschef schmiedet Kompromisse, organisiert dem Regierungschef Mehrheiten. Aber je schwieriger die Lage, desto mehr muss Mützenich die Fraktion mit Härte und Druck regieren. Auch Andrea Nahles versuchte das einst – und scheiterte brutal. Wie lange geht das also diesmal gut?

Erschienen in stern 10/24

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