Im schlimmsten Fall treffen Politiker gut gemeinte Entscheidungen, die kein Mensch versteht.
Olaf Scholz ist so ein Politiker.
Zumindest hat er diesen Eindruck hinterlassen: Am Montagnachmittag stellten der Sozialminister von der SPD und der CSU-Parteichef Erwin Huber ein Konzept zur Mitarbeiterbeteiligung vor, das zum 1. Januar 2009 Gesetz werden soll.
Einerseits sollen demnach bald direkte Beteiligungen gefördert werden. Wenn Firmen ihren Mitarbeitern Anteile verbilligt oder etwa als Prämie überlassen, sollen davon 360 Euro jährlich von Steuern und Sozialabgaben befreit sein. Der Freibetrag für diese direkte Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen beträgt derzeit 135 Euro. Zum anderen gibt es künftig den von der SPD vorgeschlagenen Fonds: Als Bedingung sieht die Koalition vor, dass der Fonds "nach einer Anlaufphase von zwei Jahren 75 Prozent des Fondsvermögens" in diejenigen Unternehmen investiert, deren Mitarbeiter sich am Fonds beteiligen. Dazu wird der Fond gesetzlich verpflichtet. Außerdem haben sich CDU, CSU und SPD darauf geeinigt, die Arbeitnehmer-Sparzulage von 18 auf 20 Prozent zu erhöhen.
"Keine Rose ohne Dornen"
Ursprünglich brannte die Union eher für ein direktes Beteiligungsmodell. Erwin Huber sagt dazu: "Es ist unser gesellschaftspolitisches Ziel, dass wir aus Arbeitnehmern Mitunternehmer machen." Anders ausgedrückt: Firma läuft, Anteil steigt. Firma pleite, Anteil futsch. CDU-Politiker Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen, kleidet diesen Ansatz in poetische Worte: "Es gibt keine Rose ohne Dornen, und keine Unternehmensbeteiligung ohne Risiko".
Der SPD jedoch waren die Dornen offensichtlich zu spitz, und deswegen forderte sie ein Beteiligungsmodell ohne unternehmerisches Risiko. Alle am Modell teilnehmenden Angestellten sollten in einen Fond einzahlen, der sich mit diesem Kapital an den Arbeitgeberfirmen beteiligt.
Kampagne geplant
Jetzt werden beide Konzepte umgesetzt. Mehr oder weniger, mit Modifikationen. Und alle sind stolz auf ihre komplizierte Kopfgeburt. "Es war nicht unwahrscheinlich, dass wir uns einigen", flötet Scholz. "Es ist ein großer Schritt voran", sagt Erwin Huber.
Doch bei den anwesenden Journalisten blieben mehr Fragen als Antworten zurück. "Was ist, wenn das Unternehmen einen Betrug begeht? Gehe ich dann als Miteigentümer in den Knast?" Huber: "Nein, nein." Weitere Zwischenrufe: "Darf ich demnächst auch die Bilanz einsehen?" - "Ja". "Sind die Beteiligungen steuerpflichtig?" - "Nur die Gewinne daraus". Zur Sicherheit hat das Ministerium schon einmal eine Werbekampagne für das neue Gesetz mit eingeplant. Ziel: mehr Verständnis schaffen.
Scholz rechnet damit, dass sich etwa eine Millionen Angestellte zusätzlich an ihren Unternehmen beteiligen. Bisher sind es zwei Millionen. Die Kosten für das Projekt liegen bei etwa 300 Millionen Euro.
Kritik an Fondslösung
Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit der neuen Regelung zur Mitarbeiterbeteiligung. "Es ist ein richtiger Ansatz, um das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu entkrampfen", so der Wirtschaftspolitiker. "Wir sitzen alle in einem Boot, die direkte Beteiligung von Mitarbeitern an ihren Betrieben bringt das zum Ausdruck."
Dennoch übte Schlarmann auch Kritik. "Der große Schuss in die Zukunft ist es jedoch nicht", eher ein "erster Schritt in die richtige Richtung". Besonders die Einbeziehung des von der SPD vorgeschlagenen Fondsmodells stört Schlarmann. "Damit fallen natürlich auch Fördermöglichkeiten für den direkten Beteiligungsweg weg", sagte er zu stern.de. Er nannte den ursprünglichen Vorschlag eines "Deutschlandfonds" - der noch weit bürokratischer geworden wäre - einen "Rohrkrepierer".
DGB zufrieden
Die Gewerkschaften stehen den neuen Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung grundsätzlich offen gegenüber. "Die Idee einer stärkeren Mitarbeiterbeteiligung, die nicht zu Lasten der Löhne oder der Altersversorgung geht, ist jedenfalls richtig. Die Vorschläge der Koalitionsarbeitsgruppe enthalten im Wesentlichen die Bausteine einer Fondslösung – das ist uns wichtig", sagt Dietmar Hexel vom DGB-Vorstand. "Der erhöhte Steuerfreibetrag beim Erwerb von Kapitalanteilen kann außerdem ein Anreiz für Beschäftigte sein, sich stärker als bisher an ihren Unternehmen zu beteiligen."
Das stimmt. Wenn alle so Beteiligten das Regelwerk durchblicken würden. Ansonsten traut sich nämlich niemand an die neuen Geldgeschenke ran - und das kann erst recht nicht im Sinne von Union und SPD sein.