Mitarbeiterbeteiligung Wie Mitarbeiter zu Kapitalisten werden

Das Kabinett hat am Mittwoch ein neues Gesetz zur Mitarbeiterbeteiligung beschlossen. Arbeitnehmer sollen sich künftig stärker am Kapital ihrer Firmen beteiligen können. Hier erklären wir Ihnen, was das neue Gesetz für Sie bedeuten kann.

Lange ist über die Beteiligung von Arbeitnehmern an Gewinnen und am Kapital von Unternehmen gestritten worden. Heute hat das Kabinett einen Gesetzesentwurf von Finanzminister Peer Steinbrück, SPD, zur Mitarbeiterbeteiligung gebilligt. Mit Steueranreizen und einem neuen Mitarbeiter-Beteiligungsfonds wollen Union und SPD die Beteiligung von Arbeitnehmern an ihren Unternehmen ankurbeln.

Das neue Gesetz soll am 1. April 2009 in Kraft treten. Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Union und SPD im Frühjahr auf die stärkere Förderung von Mitarbeiterbeteiligung geeinigt. Hintergrund ist die wachsende Kluft zwischen Arbeitnehmereinkommen und Gewinnen von Unternehmen. Letztere explodieren - nicht so die Löhne. Während zwischen 2003 und 2007 die Erträge der Unternehmen und die Einkommen aus Vermögen um 37,6 Prozent gestiegen sind, sind die Arbeitnehmereinkommen um nur 4,3 Prozent gewachsen - in Wahrheit, bereinigt um Preissteigerungen, sind sie sogar gesunken.

Bisher ist es mit der Mitarbeiterbeteiligung schlecht bestellt in Deutschland: Nur zwei Prozent der Firmen haben die Belegschaft bislang am Kapital beteiligt, nicht mehr als neun Prozent am Gewinn. Insgesamt nutzen heute etwa zwei Millionen Arbeitnehmer in 3750 Firmen Beteiligungsformen. Die Regierung erhofft sich mit dem neuen Gesetz eine Million mehr Beteiligungen. Das Projekt zur Förderung der Mitarbeiterbeteiligung führt voraussichtlich zu Steuereinbußen von 229 Millionen Euro jährlich. Der Bund trägt etwa die Hälfte. Letztlich hängen die Kosten jedoch davon ab, wie viele Arbeitnehmer und Unternehmen das freiwillige Angebot nutzen.

Geplant sind künftig drei Förderinstrumente: eine höhere Arbeitnehmer-Sparzulage, eine direkte Beteiligung und ein Mitarbeiter-Beteiligungsfonds. Erklärt sind diese im Kasten oben.

Die Wirtschaft steht dem Gesetz kritisch gegenüber

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, nannte das Gesetz in der Neuen Osnabrücker Zeitung "überflüssig". Schon jetzt könne jeder Aktien kaufen oder sich an Fonds beteiligen. Er äußerte außerdem die Sorge, dass die Mitarbeiterbeteiligung zulasten der betrieblichen Altersvorsorge geht: "Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Ein Arbeitgeber, der seinen Beschäftigten Kapitalbeteiligung gewährt, wird nicht gleichzeitig noch einen Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge leisten können", sagte Wansleben. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) äußerte sich kritisch. Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, erwartet "keine großen Veränderungen." Vor allem jene Unternehmen würden die Angebote nutzen, die schon heute ihre Belegschaften am Firmenkapital beteiligen, sagte Gunkel der Frankfurter Rundschau.

Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand im Bundestag, Michael Fuchs, CDU, sagte dagegen der NOZ, das Gesetz sei gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal. "Es unterstreicht das Miteinander von Beschäftigten und Unternehmern, das entgegen der Gewerkschaftspolemik gerade im Mittelstand tagtäglich gelebt wird."

Leonie Seifert mit Reuters

Arbeitnehmer-Sparzulage

Die Arbeitnehmer-Sparzulage ist eine staatliche Subvention für vermögenswirksame Leistungen, also Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt. Das Gesetz sieht eine Anhebung des Fördersatzes für vermögenswirksame Leistungen vor, die in Beteiligungen angelegt werden. Die Zulage steigt von derzeit 18 auf 20 Prozent. Der förderfähige Höchstbetrag von 400 Euro jährlich bleibt unverändert. Die Höchst-Zulage steigt demnach um acht Euro von 72 auf 80 Euro jährlich. Außerdem wird die Zahl der Begünstigten ausgeweitet. Die Zulage wird künftig bis zu einem Einkommen von 20.000 Euro für Ledige und 40.000 Euro für Ehepaare gezahlt. Bisher waren es 17.900 beziehungsweise. 35.800 Euro.

Direkte Beteiligung

Firmen können ihren Mitarbeitern Anteile verbilligt oder etwa als Prämie überlassen. Der Höchstbetrag für den Arbeitgeberzuschuss bei Mitarbeiterbeteiligungen, der von Steuern und Sozialabgaben befreit ist, soll künftig 360 Euro betragen. Noch beträgt der Freibetrag für die direkte Beteiligung am Arbeitgeberunternehmen 135 Euro.

Mitarbeiter-Beteiligungsfonds

Indirekte Beteiligungen sollen über einen Mitarbeiter-Beteiligungsfonds gefördert werden. Als Bedingung des von der SPD vorgeschlagenen Fonds sieht die Koalition vor, dass der Fonds "nach einer Anlaufphase von zwei Jahren 75 Prozent des Fondsvermögens" in diejenigen Unternehmen investiert, deren Mitarbeiter sich am Fonds beteiligen. Dazu wird der Fond gesetzlich verpflichtet. Auch die Streuung der Anlageformen wird vorgegeben: Die Fonds müssen für 50 Prozent ihres Vermögens unverbriefte Darlehensforderungen des Unternehmens wie Schuldscheine kaufen und 25 Prozent in nicht börsennotierte Unternehmensbeteiligungen und Wertpapiere investieren. 25 Prozent werden in Liquidität und marktgängige Vermögensgegenstände wie börsennotierte Aktien und Schuldverschreibungen sowie Geldmarktinstrumente angelegt.

Klassische Beteiligungsmodelle mit unternehmerischem Risiko funktionieren nach dem Motto: Firma läuft, Anteil steigt. Firma pleite, Anteil pfutsch. Die SPD hatte ein anderes Modell gefordert: Firma läuft, Anteil steigt. Firma pleite, Anteil immer noch da. Das neue Gesetz sieht jedoch nicht diesen Schutz vor dem Verlust des eingesetzten Kapitals vor. Die Teilnahme an dem Fonds soll freiwillig sein. Die Beteiligungsmodelle müssen zusätzlich zum Lohn verhandelt werden.

Leonie Seifert mit Reuters

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