Es ist etwas ins Rollen gekommen. Schon im Laufe der vergangenen Woche hatte die SPD bei den Wählern an Zustimmung gewonnen. Es war die Woche, in der Peer Steinbrück sein Bankenpapier vorgestellt hatte. Als am Freitag der frühere Finanzminister in einer Hauruck-Aktion zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde, ging es für die Genossen im stern-RTL-Wahltrend weiter nach oben. Im Vergleich zur Woche zuvor gewann die SPD drei Prozentpunkte und steht nun bei 29 Prozent – so gut wie seit einem Jahr nicht mehr. Mehr noch: Innerhalb von vier Wochen hat sich der Abstand zur Union mehr als halbiert – auf gerade einmal sechs Prozentpunkte. So etwas nennt man wohl Schlagdistanz. CDU/CSU erreichen nur noch 35 Prozent. Plötzlich liegt das rot-grüne Lager mit 41 Prozentpunkten vor der schwarz-gelben Truppe mit 39 Prozent.
Zuhausebleiber mobilisieren
Sicher, es handelt sich um eine Augenblicksaufnahme. Die Umfrage zeigt, anders als sonst, nicht den Wochendurchschnitt, sondern die Stimmungslage am Freitag, unmittelbar nach der Kür des Kanzlerkandidaten. Ganz ohne Zweifel wird die Begeisterung in den nächsten Tagen wieder etwas abklingen. Aber die Zahlen zeigen: Die SPD schafft es, Wähler zu mobilisieren. Kaum hatte die Politik mal etwas Klarheit zu bieten, ist die Zahl der Unentschlossenen schon um zwei Prozentpunkte auf 28 Prozent gesunken. Vor allem frustrierte, ehemalige SPD-Wähler kehrten zu ihrer Partei zurück. Angela Merkel hat die Bundestagswahl 2009 mit ihrer Strategie der sogenannten "asymmetrischen Mobilisierung" gewonnen. Will heißen: Die Kanzlerin hatte durch ihre weichgespülte Politik SPD-Sympathisanten eingelullt und konnte sich zugleich darauf verlassen, dass die Anhänger des bürgerlichen Lager aus Pflichtgefühl zur Urne gehen würden. Die jüngste Umfrage zeigt, wie sehr die Mobilisierung auch die nächste Wahl entscheiden kann. Wechselwähler sind ein überschätzter Mythos. Viel relevanter ist die Enthaltung durch Zuhausebleiben. Und umgekehrt gilt: Will die SPD die Wahl 2013 gewinnen, muss sie vor allem ihre früheren Anhänger, also die Schröder-Fans, zurückholen. Ob das Peer Steinbrück auf Dauer gelingen kann, ist natürlich offen. Wenn die Positionen von Kandidat und Partei zu weit auseinander klaffen, dann sind die Wähler auch wieder schnell verschwunden. Aber zwei weitere Umfrageergebnisse zeigen zumindest das Potenzial des SPD-Kanzlerkandidaten.
Ihm wird das Amt zugetraut
Jeden Wochentag fragt das Institut Forsa für stern und RTL: Welche Partei wird mit den Problemen in Deutschland am besten fertig? Seit Jahren führt die Union in dieser wichtigen Kompetenzfrage – zuletzt mit Werten zwischen 25 und 29 Prozent. Die SPD dagegen ist weit abgeschlagen – im Sommer trauten ihr zeitweilig nur neun Prozent der Bürger zu, die Republik für die Zukunft fit zu machen. Am Tag der Nominierung Steinbrücks sprachen plötzlich immerhin 15 Prozent der Deutschen den Sozialdemokraten die politische Kompetenz zu. Hier spielt sicher eine Rolle, dass der frühere Finanzminister als Krisenmanager in guter Erinnerung ist, weil er maßgeblich dabei half, die Folgen der Lehman-Pleite zu bewältigen.
Nicht nur Merkel, sondern auch ihr Herausforderer kann also in der Kategorie Regierungskunst punkten. Schließlich haben sich die persönlichen Werte für Steinbrück deutlich verbessert. Im direkten Vergleich würden ihn nun 34 Prozent der Deutschen zum Kanzler wählen. Seit Januar hatte der SPD-Mann immer unter 30 Prozent gelegen. Wichtiger noch: Dem Sozialdemokraten ist es sofort gelungen, die eigenen Truppen hinter sich zu versammeln. Während in den Tagen vor der Kandidatenkür gerade 61 Prozent der SPD-Anhänger im Duell Steinbrück vs. Merkel für den Herausforderer votieren wollten, waren es vergangenen Freitag plötzlich 77 Prozent. Dass der Kandidat der Amtsinhaberin gefährlich werden kann, hatte er schon einmal gezeigt. Das war im Frühherbst des vergangenen Jahres: Damals erreichte er in der Kanzlerpräferenz einen Gleichstand bei 40 Prozent. Clever ist, dass Steinbrück sich selbst den Rückweg abgeschnitten hat: Er beteuert glaubhaft, dass er nicht wieder in ein Kabinett Merkel gehen würde. Einen Vizekanzler Steinbrück wird es also nicht geben. Nun kann er den Bürgern klipp und klar sagen: Wer mich haben will, muss mich wählen. Und das könnten im Herbst 2013 mehr Deutsche tun, als vor wenigen Wochen zu erwarten war.