Hans-Martin Tillack Ham Sie die neue Steinmeier-CD?

Im Musikgeschäft sind CDs ja ziemlich out. In der Berliner Politik, wo alles immer mit Zeitverzug nachgeholt wird, sind sie dagegen richtig angesagt. Zum Beispiel die vier CDs mit den Bankdaten deutscher Steuerflüchtlinge in Liechtenstein, die der Bundesnachrichtendienst (BND) für 4,2 Millionen Euro beschafft hat. Vier super beliebte Scheiben, die einen Riesenskandal ausgelöst haben. Auch viele Journalisten würden sie gerne erwerben. Wenn man halt wüsste wo. Der Mediamarkt verkauft sie jedenfalls nicht.

Ebenfalls auf dem Weg nach oben in den Berliner Charts ist die Steinmeier-CD. Ja, die Steinmeier-CD. Ich rede nicht von irgendwelchen Rock-gegen-Rechts-Scheiben, die der Bundesaußenminister und SPD-Vizechef neuerdings verteilt. Ich rede von einer, die von ihm selbst produziert wurde.

Es gibt sie, ich weiß das. Erwähnt wird sie in einem Vermerk des Bundeskanzleramtes vom 1.März 2006. Dort geht es um den Terminkalender des heutigen Außenministers und früheren Chefs des Kanzleramtes. Wörtlich heißt es dort: „Tatsächlich ist der Terminkalender von Dr. Steinmeier nicht mehr im Bundeskanzleramt vorhanden. Er wurde auf CD gebrannt und von ihm mitgenommen.“

Die Note entstand, nachdem ich Anfang 2006 auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) vom Kanzleramt die Herausgabe von Steinmeiers Terminkalender gefordert hatte. Mich interessierte damals die Frage, welche syrischen Geheimdienstleute Steinmeier getroffen hatte, mit denen er zum Beispiel über die Entführung und Inhaftierung des deutschen Islamisten Mohammed Haydar Zammar hätte reden können.

Natürlich gäbe es viele weitere Gründe, aus denen man heute gerne diesen Terminkalender studieren würde. Etwa um zu erfahren, welche anderen Dunkelmänner Steinmeier damals so alles empfangen hat, zum Beispiel aus Libyen.

In den USA sind solche Anfragen kein Problem. Dort gilt ein derart weitgehendes Informationsfreiheitsgesetz, dass es hierzulande nicht mal bei den Grünen durch käme. Deshalb war es dort für Journalisten der New York Times mühelos möglich, etwa den Terminkalender des früheren texanischen Gouverneurs George W.Bush zu erlangen. Der zeigte, dass der spätere Präsident erst ab 9 Uhr erste Besprechungen hatte, zwei Stunden Mittagspause machte und um 17 Uhr das Büro wieder verließ.

Bei allen Bekenntnissen zum transatlantischen Dialog - zu solcher Transparenz à l’americaine ist man im Haus von Angela Merkel nicht bereit. Das Kanzleramt lehnte meine beiden Anträge auf Zugang zu dem Steinmeier-Terminkalender strikt ab, weil es sich hier um „keine amtlichen Informationen“ im Sinne des Gesetzes handele. Außerdem ließ die Behörde offen, ob diese Kalenderdaten im Kanzleramt „überhaupt vorhanden“ seien.

Aus dem oben erwähnten Vermerk vom 1.März 2006 geht aber hervor, dass selbst nach Auffassung von IFG-Experten der Bundesregierung die Frage „nicht abschließend gerichtlich geklärt“ war, ob ein Terminkalender nicht doch „eine amtliche Information ist“. Darum hatte das IFG-Koordinierungsreferat des Bundesinnenministeriums dem Kanzleramt vorgeschlagen, „Herrn Tillack wahrheitsgemäß zu erklären, dass der Terminkalender nicht mehr im Besitz des Bundeskanzleramtes ist“.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Vorschlag wurde im Hause verworfen. Stattdessen entschied die Behörde alternativ, nicht ganz so wahrheitsgemäß vorzugehen und über diese Frage keine Angaben zu machen. Das sei auch hilfreich für den Fall, dass die Gerichte doch noch entscheiden sollten, dass Terminkalender Akten im Sinne des IFG seien. Dann nämlich, so der Vermerk, „könnte der Terminkalender von Dr.Steinmeier ohne weiteres wieder beschafft werden. Dies würde einen eventuellen Vorwurf der Mitnahme ‚amtlicher Informationen’ durch Herrn Steinmeier erst gar nicht aufkommen lassen.“

Anders gesagt: Die Steinmeier-CD gibt es weder beim Mediamarkt, noch im Kanzleramt. Aber das Kanzleramt kann sie bei Bedarf bestellen.