Hans-Martin Tillack Jean-Claude Juncker, die Bank und lauter offene Fragen

Es verlief sehr gesittet, das TV-Duell zwischen Martin Schulz und Jean-Claude Juncker, das ZDF und ORF gestern ausstrahlten.

Sowohl der sozialdemokratische EU-Spitzenkandidat Schulz wie der konservative Juncker versprachen, für mehr „Transparenz“ in Europa zu sorgen. Das dürfte all die erstaunt haben, die die bisherige Arbeit von Martin Schulz im EU-Parlament ein bisschen genauer verfolgt haben. Aber auch der neue Offenheitsherold Juncker reagiert erstaunlich allergisch auf Nachfragen zu Affären in seiner Zeit als Premier von Luxemburg. Das durften wir beim stern gerade erleben.

In unserer neuesten Ausgabe berichten wir über einige der Geheimdienstaffären, über die Juncker im vergangenen Jahr sein Amt verlor. Besonders beschäftigen wir uns mit einem angeblichen dubiosen Konto, das der frühere kongolesische Staatschef Pascal Lissouba bei der Bayerischen Landesbank in Luxemburg unterhalten haben soll. 155 Millionen Dollar sollen sich auf ihm befunden haben, womöglich mitgespeist aus Zahlungen des ehemaligen französischen Ölkonzerns Elf.

Juncker erfuhr bereits 2006 von dem Vorgang, informierte aber nicht – wie es seine Pflicht gewesen wäre – die Justiz. Warum nicht? Als wir vor Veröffentlichung unserer Story bei ihm nachfragten, erhielten wir keine Antwort.

Juncker wehrte sich dieser Tage auf Wahlkampftour in Österreich: Der stern habe ihm zu wenig Zeit für die Beantwortung eingeräumt.

Tatsächlich hatten wir ihm drei Tage Zeit gegeben, auf einen Fragekatalog zu antworten – wahrlich keine knapp bemessene Frist. Nach Ablauf der drei Tage erhielten wir von ihm keine Antworten, sondern lediglich das Protokoll einer Juncker-Rede im luxemburgischen Parlament, in der er im Juli 2013 auf einige der Vorwürfe einging. Das Thema des Lissouba-Kontos hatte er dort gar nicht erwähnt.

„Es ist reiner Zufall, dass der ‚stern’ das publizieren wird und hat mit dem Wahlkampf nichts zu tun“, ironisierte Juncker vorgestern, als ihn Journalisten wegen derVorabmeldung zu unserer Story befragten. Nun, auch da irrt der Spitzenkandidat. Natürlich haben wir das Stück genau deshalb jetzt veröffentlicht, weil der Christdemokrat sich zur Zeit für eines der höchsten Ämter Europas bewirbt. Gerade jetzt interessieren sich die Wähler ja zu Recht dafür, wer die Personen sind, die in diesem EU-Wahlkampf um ihr Vertrauen werben. Gerade im Wahlkampf sollten die Kandidaten deshalb auch heikle Fragen beantworten. Wenn sie es nicht wollen, können die Bürger daraus natürlich ebenfalls Schlüsse ziehen.

Juncker ist nicht der einzige, der in dieser Geschichte um mysteriöse Konten und geheimdienstliche Ermittlungen merkwürdig agiert. Ähnliches gilt für die Bayern LB. Auch die Bank wollte auf keine einzige unserer Fragen offen antworten, als wir sie mit Rechercheergebnissen konfrontierten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bei dem Kreditinstitut verweist man auf das Bankgeheimnis. Doch falls es so sein sollte, dass es das Lissouba-Konto in Luxemburg nie gab - warum kann man das nicht offen sagen?

Im vergangenen Jahr hatte bereits die französische Journalistin Véronique Poujol in der Wochenzeitung „Letzebuerger Land“ über einige Fragen rund um dieses Thema geschrieben. Im Mai 2013 beschwerte sich die Bayern LB darüber beim Luxemburger Presserat. Doch nach einigem Hin und Her ließen die Landesbanker ihre Beschwerde fallen. Warum? Die Bayern LB gibt auch darauf keine klare Antwort.

Nach den Unterlagen, die dem stern vorliegen, war die Bank möglicherweise sogar tiefer in die Affäre um den Konzern Elf involviert, als bisher bekannt. Nach Erkenntnissen der französischen Justiz unterhielt eine der Zentralfiguren der Affäre, der langjährige Elf-Manager Alfred Sirven, Konten bei der Landesbank in Luxemburg. So stand es jedenfalls Ende 2002 in einem ausführlichen Bericht des Pariser Untersuchungsrichters Renaud van Ruymbeke.

Laut einem Dokument des Luxemburger Geheimdienstes hatte die französische Justiz mit einem Rechtshilfeersuchen vom 9. Juni 2005 eigens eine Durchsuchung der Bayern-LB-Tochter im Großherzogtum beantragt. Die Franzosen interessierten sich demnach für mögliche Konten, mit denen Sirven und Ex-Elf-Chef Loik Le Floch Prigent zu tun hatten.

In München heißt es inoffiziell, diese Razzia habe es nie gegeben. Nach dem Papier des luxemburgischen Geheimdienstes fand die Durchsuchung sehr wohl statt, erbrachte aber nichts Greifbares.

Glaubt man Luxemburger Insidern, dann ging es bei solchen Aktionen in dem damals noch von Juncker regierten Bankenparadies freilich wenig brachial zu – da habe man weder Akten beschlagnahmt noch Festplatten gespiegelt. Sondern da wurde angeblich nur an der Tür geklingelt und höflich nachgefragt, ob zu der fraglichen Sache etwas vorliege. Wenn nicht – dann eben nicht.

Alles also sehr sittsam – so wie zur Zeit die Kandidatenduelle zwischen Juncker und Schulz.

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