Der SPD-Dinosaurier Egon Bahr fragt sich, ob man den Russen nicht erlauben sollte, sich unterdrücken zu lassen. Nach Jahrzehnten des von ihm selbst vor langer Zeit propagierten "Wandels durch Annäherung" ist der SPD-Politiker Egon Bahr nun ganz nahe an Wladimir Putin. Und irgendwie sehr gewandelt.
Bahr stellte gestern in Berlin das jüngste Buch des führenden deutschen Putin-Verstehers Alexander Rahr vor. Aus diesem Anlass stellte Bahr - nicht Rahr! - die Frage, "ob wir als Demokraten nicht respektieren müssen, wenn die Mehrheit eines anderen Landes ein anderes Ordnungsprinzip wünscht". Also nicht die Volksherrschaft, sondern irgend eine Spielart von Diktatur. Schließlich seien nur 27 Prozent der Russen für die Demokratie, jedenfalls laut "Umfrage", so Bahr.
Diktatur per Umfrage? Interessante Methode! Auf welches Meinungsforschungsinstitut würde sich Bahr verlassen, bevor er in Deutschland die Gewaltherrschaft ausruft? Forsa? Emnid? Die Leserbefragung der Bild-Zeitung?
Bahr reagierte ein bisschen gereizt als er (vom Autor dieses Blogs) gefragt wurde, ob seine Äußerung bedeute, dass wir auch all die nie aufgeklärten Morde an Journalisten in Russland akzeptieren sollten. So wie im Fall von Anna Politkowskaja. Oder bis wohin unser Verständnis reichen sollte.
"Das ist doch alles verrückt", antwortete Bahr. Und er habe ja volles Verständnis, wenn sich Journalisten Sorgen um das Schicksal ihrer Kollegen in Russland machten.
Als ob es nur die Journalisten beträfe, wenn Journalisten umgebracht werden. Immerhin murmelte Bahr noch, dass man natürlich den "Druck" auf Russland aufrecht halten müsse.
Mir persönlich schiene Bahr nach solchen Äußerungen ein mindestens ebenso qualifizierter Kandidat für den Ausschluss aus der SPD wie sein Genosse Wolfgang Clement. Oder ist es so, dass die Verteidigung der Menschenrechte - etwa in Russland - in der sozialdemokratischen Partei zur Zeit nicht ganz so stark verankert ist wie der Atomausstieg?