Lange war er einer der bestgehüteten Geheimnisse Berlins, der Vertrag zwischen der Bundesregierung und dem Firmenkonsortium, das die deutsche Lkw-Maut betreibt. Vor gut sieben Jahren hatte ihn die rot-grüne Regierung mit Daimler, Deutscher Telekom und der französischen Cofiroute abgeschlossen. Jetzt muss der neue Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Kontrakt verteidigen - und verwickelt sich dabei in Widersprüche.
Ende November hatte der stern bisher geheime Passagen des Toll-Collect-Vertrages publik gemacht, in Kooperation mit der Website Wikileaks. Der stern veröffentlichte auch brisante Zahlen zu der üppigen Rendite, die die Regierung den Mautbetreibern offensichtlich zugesagt hatte. In ihrem von der Regierung akzeptierten Angebot vom 22. April 2002 verlangten die drei Konzerne - nach damaligen Preisen - insgesamt 1,117 Milliarden Euro über die gesamte Vertragslaufzeit von zwölf Jahren. Und zwar netto, also zuzüglich Umsatzsteuer. Gemessen an der geplanten Gesamtvergütung von netto fünf Milliarden war das eine Umsatzrendite von über 19 Prozent. Davon können andere Firmen nur träumen.
Minister Ramsauer ließ darauf Anfang Dezember gegenüber dem Verkehrsausschuss des Bundestages in reichlich gewundenen Worten den Eindruck erwecken, der stern habe falsch gerechnet - auch wenn er und seine Mitarbeiter sich wohlweislich nicht trauten, das öffentlich laut zu sagen. Die dem Konsortium zugestandene Umsatzrendite liege unter zehn Prozent, behauptete ein Ramsauer-Staatssekretär im Verkehrsausschuss in vertraulicher Sitzung. Dem Ausschussvorsitzenden Winfried Hermann (Grüne) gab es das Ministerium schriftlich: Anders als der stern es offenbar verstehe, definiere der Betreibervertrag die Rendite nicht nur als "Verzinsung von Eigenkapital" und Vergütung für die "Übernahme des unternehmerischen Risikos", sondern decke damit auch "bestimmte Aufwände der Betreibergesellschaft" ab, etwa das "Ausfallrisiko bei Zahlungsunfähigkeit von Mautschuldnern".
Doch damit hatte sich der Verkehrsminister offenkundig in das Reich der behördlichen Dementierphantasie verabschiedet. In dem von der Regierung dem Verkehrsausschuss des Bundestages am 22. Oktober 2003 vorgelegten so genannten Kernvertrag über den Betrieb der Lkw-Maut wurde die Rendite für das Toll-Collect-Konsortium eindeutig und abschließend definiert als "der vom Bieter in seinem Angebot geforderte absolute Betrag zur Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital und für die Übernahme des unternehmerischen Risikos".
Wann und wo sei denn ergänzend vertraglich vereinbart worden, dass die Rendite überdies "bestimmte Aufwände der Betreibergesellschaft abdecken" solle, wie jetzt vom Ministerium behauptet - das fragte der grüne Verkehrsexperte Anton Hofreiter den Minister Ramsauer dieser Tage schriftlich. Lapidare Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Enak Ferlemann (CDU): "Diese Regelungen" seien bereits im Vertrag in der Fassung von November 2002 enthalten gewesen.
Wie gesagt, noch im Oktober 2003 hatte das Verkehrsministerium dies vor dem Bundestag anders dargestellt. Kein Wunder, dass das Ramsauer-Ressort zu den tatsächlichen Rendite-Zahlungen an das Toll-Collect-Konsortium öffentlich lieber keine präziseren Angaben machen will. "Welche Rendite Toll Collect effektiv erzielt, ist als Betriebsgeheimnis einzustufen und unterliegt der Geheimhaltung", schrieb Ferlemann dem Abgeordneten Hofreiter.
Für uns beim stern Grund genug, nicht an der Richtigkeit der Zahlen zu zweifeln, die wir veröffentlicht haben. Denn die stützen sich nicht auf regierungsamtliche Rabulistik - sondern auf offizielle Papiere.