An dieser Stelle will ich eine Lanze für den Medientycoon
Rupert Murdoch brechen. Als der Australo-Amerikaner im vergangenen Jahr das
altehrwürdige Wall Street Journal kaufte, musste er viel Kritik einstecken. Ich
aber gehöre zu den Profiteuren des Manövers.
Murdoch hat nämlich veranlasst, dass ein Großteil der in den
vergangenen Jahren im Wall Street Journal veröffentlichten Artikel nun gratis
online verfügbar ist. Darunter auch der eine oder andere Gastbeitrag, zu dem
ich dort eingeladen war. Es ging zumeist um das EU-Betrugsbekämpfungsamt Olaf
und dessen kuriose Weise, mit Betrugsfällen umzugehen. Sowie die noch kuriosere
Weise, in der die Herren und Damen mit Journalisten umgehen, die ihre Arbeit
wagen zu kritisieren. Denen die Betrugsbekämpfer schon mal die Polizei zur
Razzia ins Haus schicken. Jedenfalls taten sie das bei mir.
Erst dieser Tage wurde bekannt, dass genau in diesem Fall
Olaf und die EU-Kommission sogar den Europäischen Gerichtshof in
die Irre geführt haben. Dort hatten wir am 4.Juni 2004 eine Klage eingereicht,
um zu verhindern, dass die EU-Beamten Zugriff auf die Akten nehmen, die die
belgische Polizei im März 2004 auf Anstiftung von Olaf bei mir beschlagnahmt
hatte. Wir wollten unsere Quellen schützen und verhindern, dass die Kommission
herausfindet, was in den Akten steht.
Gegenüber dem Gericht versicherte die Kommission darauf, man
werde diese Einsicht einstweilen nicht suchen und habe auch bisher den
belgischen Untersuchungsrichter nicht kontaktiert. Das war glatt falsch, denn
am 6.Mai 2004 hatte Olaf bereits bei den Belgiern genau diese Akteneinsicht
erbeten. Das räumte Olaf-Generaldirektor Brüner dieser Tage gegenüber einer
rumänischen Zeitung kleinlaut ein. Er will von dem versuchten Einblick in meine Unterlagen aber nichts gewusst haben. Die
Aktion sei vom damals für Untersuchungen zuständigen Direktor Alberto Perduca
veranlasst worden – ohne Brüner zu informieren! Angeblich blitzte Perduca bei den Belgiern ab.
Nun hat Brüner nicht gerade den Ruf besonderer Ehrlichkeit;
selbst der EU-Ombudsmann warf ihm in einem Sonderbericht an das EU-Parlament
wiederholte Falschaussagen vor. Zufällig ist Perduca gerade im Sondereinsatz im
Kosovo und dem Generaldirektor sowieso in traditionell herzlicher Abneigung
verbunden. Er habe vor Brüner nichts „verborgen“, versichert Perduca. Brüner
werfe ihm dies überdies auch gar nicht vor. Aha. Nur komisch, dass
Olaf-Sprecher Alessandro Butticé ganz offen in offiziellen Schreiben an Journalisten die Behauptung unterstreicht, dass Brüner über Perducas Schritt nicht informiert worden sei.
Die Entdeckung weiterer Flunkereien scheint also
programmiert. Der EU-Abgeordnete Paul van Buitenen hat bereits den zuständigen
EU-Kommissar Siim Kallas aufgefordert, nun auch diese jüngste Olaf-Affäre zu untersuchen.
Aber der Olaf-Chef und seine Mannen scheinen sich weiterhin
für unantastbar zu halten. Darunter ist auch ein gewisser Wolfgang Hetzer, der
dem Generaldirektor als Berater dient. Er arbeitete früher mal im
Bundeskanzleramt und lässt sich heute gerne auch auf deutschen Konferenzen als
„Adviser to the Director General Anti-Corruption“ vorstellen. „Berater für
Korruptionsbekämpfung“ klingt ja nicht so schneidig.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Am Dienstag vergangener Woche sprach mich dieser mir bisher
persönlich unbekannte Herr auf einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Berlin an und warf mir vor, dass
a) der stern ja schon die Hitler-Tagebücher veröffentlicht
habe,
b) ich Olaf zu kritisch sehe und
c) selbst ohnehin kein Recht hätte, diese Kritik zu äußern.
Weil ich ja befangen sei. Nachdem mir Olaf auf der Basis von
Gerüchten die belgische Polizei auf die Hals gehetzt hatte. Aus Hetzers Sicht
war Olaf-Chef Brüner seinerseits keineswegs befangen, als er gegen mich
losschlug, nachdem ich ihm auf der Basis interner Olaf-Dokumente immer wieder
nachlässige Untersuchungen nachweisen konnte. Nein, dieses
Recht auf Rache steht Olaf offenbar zu. Und wehe dem, der sich nicht
einschüchtern lässt und weiter kritisch über die EU-Behörde schreibt.
Hetzer hat also seine ganz eigene Definition von
Befangenheit. Das rührt vielleicht auch daher, dass er Jura studiert hat, ich
hingegen nicht, wie er im Lauf unseres Gesprächs am vergangenen Dienstag
triumphierend feststellte.
Hetzers juristische Ausbildung kam sehr schön zum Tragen, als
ich ihn fragte, wie er denn reagiert hätte, wenn ich ihm – so wie Olaf bei mir
– auf der Basis dubioser anonymer Aussagen Straftaten vorgeworfen hätte. „Ich
hätte Ihnen den Hals umgedreht“, erklärte er mir stolz. Er wäre nicht vor
Gericht gezogen. So wie ich als Nicht-Jurist.
Das Recht auf Rache – siehe oben - steht bei Olaf also
offenbar weiter hoch im Kurs. Und als Nicht-Jurist lernt man jedenfalls nie
aus. Wahr ist, dass ich schon länger über die anklägerischen Schriften Hetzers
staune, in denen er vehement für eine schärfere Korruptionsbekämpfung eintritt.
Einmal wetterte er zum Beispiel über die bei uns übliche „Führung eines Volkes
durch eine korrupte Machtclique“, die „unter dem Begriff ‚Regierung’ das Gemeinwohl
mit Füssen tritt.“
Während Hetzer sich offenbar nicht daran stört, dass seine
eigene Behörde sich wie keine zweite in Europa einen soliden Ruf als Instanz
für Ermittlungsverweigerung und Schlafmützigkeit erarbeitet hat. Jedenfalls
dann, wenn sich die Ermittlungen gegen die Mächtigen in Politik und Wirtschaft
richten sollten.
Am Hofe des Dottore Brüner hat Hetzer also offenbar eine eher
clowneske Rolle. Zeitweise führte er zwar sogar ein eigenes Referat für
„strategische Intelligence“. Aber im Juli 2005 stellte der Europäische Rechnungshof
enttäuscht fest: „Obwohl dieses Referat bereits schon seit zwei Jahren besteht,
leistete es bislang keinen direkten Beitrag zur Untersuchungstätigkeit.“
Zugegebenermaßen war das Urteil des Rechnungshofes über den
Rest von Olaf mindestens genauso vernichtend. Aber das zu erwähnen ist
wahrscheinlich wieder ein Beleg für den Mangel an Unterstützung für das
„europäische Projekt“. Welchen mir Hetzer vorwarf, weil ich Olaf zuviel
kritisiere.
Weil das europäische Projekt halt keine besseren Leute
verdient hat als ihn und seine Kollegen.