"BILD-Zeitung"
Es gibt tausend Gründe, über unsere Steuern zu schimpfen: zu hoch, zu kompliziert, zu ungerecht. Aber es gibt keinen einzigen Grund, den Staat um Steuern zu betrügen. Wer nicht zahlt, ist ein Schmarotzer, lässt andere für Soziales oder Schulen zahlen. Zu diesen Schmarotzern zählen alle Inhaber schwarzer Konten. Steuerhinterziehung - das ist die bevorzugte "Schwarzarbeit" in den so genannten besseren Kreisen. Heimlich Geld in die Schweiz bringen und lauthals über die "Hartz IV- Faulenzer" schimpfen - was für eine verlogene Moral! Der Staat hat jetzt die Chance, gestohlene Daten über 1500 Steuerflüchtlinge zu kaufen. Ein unmoralisches Angebot, gewiss. Aber ein Staat, der Steuersünder fangen könnte und sie laufen lässt, verhält sich ebenfalls unmoralisch: Er lässt Millionen von Bürgern im Stich, die hart arbeiten und redlich ihre Steuern zahlen. Herr Finanzminister Schäuble, lassen Sie die Daten beschaffen! Und zeigen Sie so den Bürgern, dass es keinen Bonus für kriminelle Reiche gibt.
"Süddeutsche Zeitung"
Das Lamento der Schweiz lässt die eigene fragwürdige Rolle in der ganzen Geschichte außer Acht: Man figuriert selbst als Hehler der verschobenen Gelder, bezeichnet aber die Aufklärungsversuche dessen, der zu seinem Geld kommen will, als Hehlerei. Das ist nicht sehr ernst zu nehmen. Ernster zu nehmen sind die Bedenken in Deutschland, wonach sich der Staat nicht in Geschäfte mit zwielichtigen Figuren einlassen darf: Der Staat soll nicht dealen; der Strafprozess ist kein Basar. Erstaunlich ist freilich, dass vor allem diejenigen Politiker, die sonst keine Bedenken gegen gekaufte Kronzeugen, V- Leute und sonstige heikle Ermittlungsmethoden haben, vor dem Ankauf von gestohlenen Bankdaten warnen. Das weckt den Verdacht, dass die sonst probaten unfeinen Methoden dann nicht angewendet werden sollen, wenn es gegen die feinere Gesellschaft geht.
"Financial Times Deutschland"
Für einen instinktsicheren Politiker dürfte es keine Frage sein, ob die Steuerbehörden die CD mit den Schweizer Bankdaten kaufen sollen. Doch auch aus moralischer Sicht gibt es gute Argumente dafür, sich trotz aller Bedenken auf das Geschäft einzulassen. Der deutsche Staat, wie auch alle anderen Staaten, bezieht einen großen Teil seiner Legitimität daraus, dass er Gesetze nicht nur erlassen, sondern auch durchsetzen kann. Mit der Schweiz jedoch stößt die Kooperation beim Thema Bankdaten seit jeher an enge Grenzen. Kauft der deutsche Staat nun also die umstrittenen Bankdaten, heilt er seine Machtlosigkeit, die aus der Schweizer Weigerung herrührt, die Daten herauszurücken, und sichert damit die Wirksamkeit seiner Steuergesetze. Überspitzt könnte man sagen, dass die deutschen Steuerbehörden hier in Notwehr handeln.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
(...) Nun geht es beim Ankauf von Bankdaten nicht um Leben und Tod. Immerhin aber hat die Liechtenstein-Affäre mit den Fällen Zumwinkel und Co. gezeigt, dass keinesfalls alles Material aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbar ist, das damals auf zweifelhaften Wegen von Staatsdienern herangeschafft wurde. Aufklärung um jeden Preis kann jedenfalls nicht das Ziel sein, das gilt für die Bekämpfung des Terrorismus ebenso wie für die Verfolgung von Steuerflüchtlingen. Rechtswidrig erlangten Daten und Hinweisen im Einzelfall nachzugehen ist allerdings das eine, Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten wäre das andere. Die staatliche Botschaft an Bankangestellte und Sammler von Daten die offenbar überall leicht verfügbar sind darf jedenfalls nicht lauten: Schnüffelt und kopiert, eine üppige Belohnung ist euch sicher.(...)

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"Frankfurter Rundschau"
Tricksen gegen die Trickser? Trauen wir blind unseren Instinkten, kann es nur eine Antwort geben. Gewiss muss der Staat alles tun, um jenen das Handwerk zu legen, die die Gemeinschaft gleich doppelt betrogen haben. Im Übrigen wirkt ja schon das bloße Gerücht. Sollen die Politiker ruhig streiten, was sich mit dem Schweizer Datensatz anfangen ließe. Je länger die Debatte währt, je unklarer der Kreis möglicher Verdächtiger bleibt, desto mehr Selbstanzeigen nervöser Steuerbetrüger werden eingehen. Zum Wohl der Solidargemeinschaft.