Der größte Feind der Frau ist die politische Frau. Denn sie macht sich dem politischen Manne untertan, um die Frau zu täuschen und am Ende fallen zu lassen. Oder sie verfolgt, im Denken so maskulin wie der politische Mann, ihre höchst persönlichen Interessen - und das sind nicht unbedingt die der Frau, sie werden aber stets als solche ausgegeben. Pure Illusion zu glauben, politische Frauen verträten die Interessen der Frau. Gewählt werden sie ja auch von Männern, und installiert, so wie die Dinge nun mal liegen, eigentlich nur von ihnen. Politiker streben nach Macht und nur danach - darin sind sie unisex.
Bei der Debatte über das neue Staatsoberhaupt ist die politische Frau in diversen Rollen zu besichtigen, wie bei einer physikalischen Versuchsanordnung. Doch auf dem Labortisch herrscht Verwirrung - und die schreit danach, Funktionen und Strippen auseinander zu klamüsern. Damit (nicht nur) der Frau vor Augen tritt, wem die politische Frau dient.
Eine "hoch qualifizierte Frau"
Als Erste leuchtete Renate Schmidt auf, Familienministerin der SPD, und zwar in der Rolle als Türöffnerin für Männer. Eine "hoch qualifizierte Frau" möge an Johannes Raus Stelle treten, begann sie das Experiment. Sie selbst stehe dafür freilich nicht zur Verfügung - was weniger der realistischen Einschätzung der eigenen Qualifikation zu danken war als vielmehr der präzisen Kenntnis dessen, was folgen sollte und wie alles am Ende ausgehen dürfte.
Umgehend nahmen Olaf Scholz, der SPD-General, und - ganz oben auf der Bedeutungsskala - der Kanzler das verabredete Stichwort auf und machten aus dem Lichtlein einen Scheinwerfer: Es sei "endlich an der Zeit, dass eine Frau Präsidentin unseres Landes wird", denn das "täte un-serer Republik gut". Vor allem aber verspräche es, der SPD gut zu tun, denn die hat mit den Grünen nun mal keine Mehrheit in der Bundesversammlung - also müht man sich, mit einer opferbereiten Kandidatin schwarz-gelbe Frauen zum Überlaufen zu verführen.
Türöffnerin, Lockvogel, Verräterin, Verbrannte - Rollen der Frau
Vor vier Jahren, als die SPD am Drücker war, plädierte Frau Schmidt für Herrn Rau - und gegen eine Frau. Womit sich der Blick öffnet auf die politische Frau in ihrer vielfältigen sonstigen Verwendbarkeit, im konkreten Fall auf die als Verräterin am eigenen Geschlecht. Für die fanden sich seinerzeit auch Karin Junker, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, und Heide Simonis, die Kieler Ministerpräsidentin. Damals war frau ein Störfall - und musste abgeschaltet werden mit dem Hinweis, das Geschlecht sei sekundär, es könne nur um den Besten gehen.

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"Polemische Mann-Frau-Debatten"
Heute ist das alles ganz anders, wie die Machtverhältnisse, also ist eine dritte Rolle zu besetzen, die des Lockvogels: Diesmal soll sich Jutta Limbach dafür hergeben, die Chefin des Goethe-Instituts und frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. 1999 spielte den Lockvogel Dagmar Schipanski - für die Union. Mit exakt dem gleichen taktischen Kalkül, denn CDU und CSU waren ohne Mehrheit. Jetzt, da Frau Schipanski mit Aussicht auf Erfolg zu nominieren wäre, spricht niemand mehr von ihr. Sie selbst auch nicht - sie warnt vielmehr öffentlich vor "polemischen Mann-Frau-Debatten".
Es folgt die Naive, überzeugend besetzt mit Angelika Beer, der grünen Parteichefin, die einem weiblichen Staatsoberhaupt "absoluten Charme" abgewinnen würde. Ist ja auch genau die Eigenschaft, die Männer an Frauen so schätzen und die folgsame politische Frauen - neben Herzenswärme für Kinder und Familie - daher gern ins Feld führen. Daneben steht die Verbrannte: Frau Schipanski ist so eine, eine andere die unverwüstlich gute Hildegard Hamm-Brücher, die mit Frau Schipanski das Schicksal des Lockvogels teilte - im gehobenen Dienst der liberalen Männer. Haben Sie noch die Übersicht? Frauen sind eben für viele Rollen verwendbar.
Noch nie zuvor aber für jene, die heute Angela Merkel einnimmt. Es ist die der Strippenzieherin im historischen Interesse der Frau - dem eigenen nämlich. Unbedingt hat sie eine Kandidatin der Union für das schlappe Amt des Präsidenten zu verhindern - damit sie selbst ins Kraftzentrum der Macht vorzudringen vermag, ins Kanzleramt. Zwei Frauen ganz oben, das wäre zu unverschämt. Dann lieber nur eine, sagt sie sich: ICH.
Zum Schluss noch ein Geständnis: Auch ich habe Frau einmal taktisch missbraucht: "Frau statt Rau" schrieb ich 1998, um IHN zu verhindern. Aber von einem Mann hätten Sie auch ja nie etwas anderes erwartet.