Wien Der Fall der "zweiten Reichshauptstadt"

Als am 13. April 1945 in Wien der militärische Widerstand zusammenbrach, bot sich den Rotarmisten ein Bild der Verwüstung. Wie Hohn klangen da Adolf Hitlers Worte: "Berlin bleibt deutsch und Wien wird wieder deutsch."

Am Nachmittag des 13. April 1945 veröffentlichte das sowjetische Oberkommando in Moskau eine Sondermeldung. Wir haben "nach heftigen Kämpfen die Hauptstadt Österreichs, Wien, eingenommen", die einen "strategisch wichtigen Verteidigungsknotenpunkt der Deutschen auf dem Weg nach Süddeutschland versperrte". Die acht Tage dauernden blutigen Kämpfe, denen rund 37.000 Soldaten und 3000 Zivilisten zum Opfer fielen, waren zu Ende.

Bild der Verwüstung

Der "Führer" dachte nicht daran, die Stadt, die er als "Perle" bezeichnet hatte, kampflos der Roten Armee zu überlassen. Der Kampf um die "zweite Reichshauptstadt" sollte bis zur letzten Konsequenz geführt werden. Die Kriegsbilanz für Wien ist grausam: Insgesamt 90.000 Männer waren seit Kriegsbeginn als Soldaten der Wehrmacht an der Front getötet worden. Die Nazis ermordeten mindestens 60.000 Wiener Juden. Die Stadt bot ein Bild der Verwüstung. Meterhoher Schutt blockierte die meisten Straßen durch die Brandruinen, vor denen zerstörte Panzer lagen. Auf Grünanlagen entstanden Behelfsfriedhöfe.

Spätestens seit dem Luftangriff der westlichen Alliierten am 12. März ahnten die Menschen, was auf sie zukommen würde. An diesem Tag hatten alliierte Flugzeuge Tausende Tonnen Bomben über der Innenstadt abgeworfen. 900 Zivilisten wurden bei dem Angriff getötet und zahlreiche Gebäude, darunter die weltberühmte Staatsoper, weitgehend zerstört. Die eigentliche Schlacht um die von den Nazis zur Festung erklärte Stadt begann am 6. April. Das Kräfteverhältnis zwischen Rotarmisten unter Marschall Fjordor Tolbuchin und Wehrmachtssoldaten war 4 zu 1. Die Verteidiger bauten in den Außenbezirken Barrikaden auf, die von der Bevölkerung zum Teil wieder entfernt wurden.

Es herrschte Standrecht, Hunderte von politischen Häftlingen wurden in den letzten Kriegstagen hingerichtet. Hitlers gefürchtete Geheimpolizei (Gestapo) hängte drei österreichische Offiziere an Laternenmasten auf. Sie hatten als Angehörige der Widerstandsgruppe "0 5" mit den Russen vor Beginn des entscheidenden Angriffs heimlich über eine kampflose Übergabe der Stadt verhandelt. Einschläge von Granaten lösten Großbrände im Zentrum Wiens aus. Das Parlament, das Burgtheater und andere bedeutende Gebäude standen in Flammen. Jedes dritte Haus wurde zerstört oder beschädigt. Der Nazi-Statthalter Baldur von Schirach setzte sich Richtung Bayern ab.

"Wien wird wieder deutsch"

Am 12. April schlugen Geschosse im Stephansdom ein, dem Wahrzeichen der Stadt. Das Dach brannte vollständig aus, die große Pummerin-Glocke stürzte aus dem Glockenturm und zerschellte. Tags darauf brach der militärische Widerstand zusammen, aus den Fenstern hingen weiße Tücher als Zeichen der Kapitulation. Wie Hohn klangen da Hitlers Worte: "Berlin bleibt deutsch und Wien wird wieder deutsch."

Nach der Eroberung durch die Sowjetarmee bemühte sich die Hauptstadt um eine schnelle Rückkehr zu Normalität. Schon am 30. April spielte das Ensemble des Burgtheaters wieder, und die Philharmoniker gaben am 1. Mai ihr erstes Nachkriegskonzert. Bis das offizielle Österreich mit der eigentlichen Vergangenheitsbewältigung begann, sollten jedoch noch Jahrzehnte vergehen.

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Christian Fürst/DPA