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10.000 Alltagsgegenstände Ein Besuch in diesem DDR-Museum ist wie eine Zeitreise in ein verschwundenes Land

DDR Museum
Museumsbetreiber Markus Schmied taucht immer mal wieder hinter einer Ecke auf und erzählt etwas über seine Exponate. In diesem Fall zur hunderte Flaschen umfassenden. und regional sortierten Sammlung von DDR-Bieren
© stern/rös
Die Deutsche Demokratische Republik ist untergegangen? Mag sein. Besuchen kann man sie dennoch. Im privaten DDR-Museum eines leidenschaftlichen Sammlers in Mecklenburg-Vorpommern.

1994 legten die Schmieds ohne es zu ahnen den Grundstein für das Lebenswerk ihres Sohnes. Das Ehepaar aus Thüringen kaufte ein ehemaliges Pionierferienlager an der Mecklenburgischen Seenplatte, um daraus ein Urlaubsdorf zu machen. Für ihren elfjährigen Sohn Marcus war das 30.000 Quadratmeter große Gelände in der Gemeinde Dabel im Landkreis Ludwigslust-Parchim ein großer Abenteuerspielplatz. Er durchforstete die alten Hütten und fand darin etliche Gegenstände aus DDR-Zeiten. Was ihm gefiel sammelte er ein und packte es in eine Kiste. 

Das Sammeln weitete er im Laufe der Jahre immer weiter aus und die Kiste wurde naturgemäß irgendwann zu klein. 2016 eröffnete er sein DDR-Museum. Aktuell stellt er in zwei Hallen aus – 10.000 Exponate auf 400 Quadratmetern. Und das ist nicht mal seine komplette Sammlung. Eingelagert hat er noch tausende weiterer Gegenstände, sagt er. Allein, es fehlt der Platz, diese auch noch auszustellen. Und noch immer klappert er Flohmärkte und Inserate ab und sucht nach allem, auf dem VEB oder DDR steht. 

Seine Leidenschaft trägt der Familienvater auf der Haut und auf der Zunge. Der Wartburg-Schriftzug findet sich als Tattoo auf seinem Körper ebenso wie das Sandmännchen und weitere DDR-Motive. Und beim Gang durch das Museum taucht Schmied immer mal wieder unvermittelt auf und erzählt. Zu jedem Exponat, so scheint es, gibt es auch eine Geschichte. Es ist ein nie versiegender Quell. 

Ein Besuch im DDR-Museum soll eine Zeitreise sein

Schmied sagt, ihm sei Vollständigkeit wichtig. Wenn es einen Bohrschrauber in der DDR in einem Dutzend verschiedener Farben gab, möchte er auch alle im Museum ausstellen. "Viele staatliche Museen haben eher beispielhaft zwei oder drei Gegenstände in ihrer Ausstellung. Ich möchte alle Produkte in allen Varianten zeigen". Anschaulich wird dieses Ziel bei Bier und Schnaps. Hunderte Flaschen stehen in den Regalen. Laut Schmied hat sein Museum die größte Sammlung an DDR-Spirituosen. Guinness könnte den Rekord demnächst beurkunden. 

Ein Besuch in Schmieds Museum soll eine Zeitreise in die DDR sein. "Wer in der DDR gelebt hat und herkommt, fühlt sich oft in die eigene Jugend zurückversetzt", sagt Schmied. Und Besucher aus dem Westen biete er die Möglichkeit, "ein Land besuchen, das es nicht mehr gibt". In der Regel bleiben die Ostdeutschen länger. Vielleicht weil sie mehr in Erinnerungen schwelgen, mit den Exponaten eigene Erlebnisse verbinden. 

Zum Beispiel mit dem grauen Fahrschultrainer "Elan", der in einem der langen Gänge steht: Ein grauer Kasten mit Lenkrad, Rückspiegel und Pedalen. In Kombination mit einer Leinwand wurde das Gerät zum Fahrsimulator. Der abgespielte Film reagierte auf die Manöver des "Fahrers". Wurde der Motor abgewürgt, blieb auch der Film stehen, wurde das Gaspedal durchgetreten, lief er schneller. 

Bockwürste und Badewasser aus der Waschmaschine

Oder mit der Waschmaschine "WM 66". Die bekam nämlich nicht nur Klamotten sauber. "In der Maschine konnte man auch Bockwürste erhitzen", erläutert Schmied, "genug für eine ganze Kompanie, wenn nötig". Aber das ist nicht alles: "Wir haben in der WM 66 unser Badewasser erhitzt. Wenn das Wasser heiß war, hat man das einfach in die Wanne abgepumpt", sagt ein älterer Herr, der von der Seite mitgehört hat und nun dazu kommt. Er wohnt in Chemnitz und ist mit seiner Frau in Dabel zu Besuch.   

Aber auch im Westen schätzten viele Menschen ohne es zu wissen Produkte aus der DDR. Ob Plattenspieler, Küchengeräte oder auch Schreibmaschinen – etliches wurde im Osten gefertigt und in den Westen exportiert. Dort wurde es in Kaufhäusern und von Versandhändlern unter eigenen Marken verkauft. Schreibmaschinen der DDR-Marke Erika etwa wurden in der Bundesrepublik unter dem Label Privileg verkauft. 

Vieles in Schmieds Museum macht nach Jahrzehnten noch immer einen funktionstüchtigen Eindruck. Für ihn kein Wunder: "Damals war die klare Vorgabe, dass die Sachen lange halten müssen", sagt er. Das sei heutzutage ja leider anders. 

In der Region hat sich das DDR-Museum längst als feste Sehenswürdigkeit etabliert. Und an Feiertagen wie dem 1. Mai oder dem 3. Oktober rücken bisweilen ganze Kolonnen von Nostalgie-Fahrzeugen an. Beinahe hätte das Museum vor einigen Monaten dennoch das Schicksal des Landes geteilt, das in seinem Innern konserviert ist. Die Corona-Zwangspause und ein drohender Standortverlust brachten es an den Rand der Schließung. Die wurde abgewendet. Schmied kann mit seinem Museum weitermachen. Mit dem Sammeln hat er eh nie aufgehört.  

Weitere Informationen: ddr-museum-mecklenburg.de

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