Es soll in den besten Familien vorkommen. Aber dass die eigene Ehefrau die Nebenbuhlerin aussucht, ist wohl eher die Ausnahme. Doch es war Sissis Großzügigkeit, die Österreichs Kaiser Franz Joseph I. und Katharina Schratt zusammenführte. "Opatija giltals eines ihrer Liebesnester", sagt Vjeko. Das einstige "Nizza der Wiener" an der kroatischen Adria-Küste besticht immer noch durch die k.u.k.-Atmosphäre mit Villen und mondänen Hotels der Belle Epoque.Wie damals die Burgtheater-Schauspielerin Schratt kommen die Gäste bis heute, um sich im gesunden Mikroklima am Fuß des Berges Ucka zu erholen und die Naturschönheiten zu genießen. Viele nutzen die kristallklare Adria oder den angrenzenden Naturpark für sportliche Aktivitäten. Diejenigen, die das Küstengebiet aus der Vogelperspektive betrachten wollen, finden Startplätze zum Drachenfliegen und Paragliding.
Kaiserliche Liebesnester
Manch einen mag auch die Faszination anziehen, im "Winterwien" auf den Spuren zahlreicher Künstler, Prominenter und gekrönter Häupter zu wandeln. So kann man in Häusern absteigen, die Kaiser und Könige beherbergten und die Erinnerung an Liebesgeschichten bewahren. Dazu gehört das Hotel "Kvarner", das nach dem Vorbild der Schlösser Schönbrunn und Versailles als erstes Hotel an der Ostküste der Adria entstand. Das 1889 zum Kurort erklärte Opatija hatte 1912 bereits zwölf Sanatorien und 62 Ärzte. Eine Tradition, die die moderne Thalassotherapie fortsetzt."Die Villa Schratt ist heute Casino. Damals soll der Kaiser das Gebäude inkognito durch einen unterirdischen Weg vom Garten her erreicht haben", erzählt der Hotelier Vjeko. Seine Großmutter hat ihm die Geschichten und Anekdoten von damals erzählt. Die 92-jährige Maria erlebte fünf Herrschaftsformen, von der Habsburgermonarchie über die italienische Herrschaft und die des Deutschen Reiches sowie der sozialistischen Republik Jugoslawien bis zur parlamentarischen Demokratie des jetzigen Kroatien. "Aber sie fühlt sich in erster Linie als Istrierin", fügt er hinzu.
Trüffel als Aphrodisiakum
Die Gärten und Parks von Opatija, der Name bedeutet Abtei, entstanden, als vor 160 Jahren der Tourismus in der geografisch und klimatisch begünstigten Kvarner Bucht Einzug hielt. Sie sind berühmt für ihre exotischen Pflanzen. Damals bildete die Benediktiner-Abtei des St.Jacob den Mittelpunkt des Ortes und der Park Angiolina war einer der ersten. Seine majestätischen Magnolien, Zypressen und Palmen, Bambuspflanzen und Zedern, die von Seefahrern mitgebracht wurden, sorgen für mediterrane Stimmung. Von Dezember bis April blüht dort die von den Philippinen importierte Kamelie mit wunderschönen roten, rosa und weißen Blüten.Sehr kaiserlich wird ein Spaziergang auf dem bisweilen von immergrünen Steineichen gesäumten zwölf Kilometer langen Uferweg "Lungomare". Als "Franz-Joseph-Promenade" führt er vom Fischerdörfchen Volosko über Opatija an der malerischen Küste entlang bis ins 1000-jährige Lovran. "Der Name leitet sich von Lorbeer ab, der in der Umgebung üppig gedeiht", erklärt Vjeko, der hier Gastgeber ist. Herrenhäuser und Schlösser erinnern daran, dass seit den römischen Patriziern viele Lovran als Sommersitz wählten. Vjeko übernahm den einstigen Sitz des Grafen Guerra. In seiner "Villa Astra" mit den venezianischen Fensterbögen lädt er zu einer Runde Medice, dem lokalen Honigschnaps, ein. Zwischen den Pinien glitzert das Wasser der azurblauen Adria in der Sonne. Von der Wand des Speisesalons lächelt mehrfach der Kaiser. Nicht jedem gefallen die Gemälde, und manch einer fragt sich angesichts der in der Region beheimateten weißen Trüffel, ob diese wohl von Franz Joseph als Aphrodisiakum benutzt wurden.
Zankapfel zwischen Wien und Venedig
In seinem Landhaus Oraj am Rande des Naturparks Ucka, dessen scharfkantige Gebirgskämme Istrien von der Kvarner Region trennen, öffnet Vjeko am Kaminfeuer seine kroatische Seele. Stolz schwingt in seiner Stimme, wenn er von seiner Heimat und den Kulturdenkmälern erzählt. In der geschichtsträchtigen Region vereinen sich große Kulturen - die slawische, romanische und germanische. Lange war sie Zankapfel zwischen Wien und Venedig. Vom steinernen Aussichtsturm auf dem Vojakgipfel, 1401 Meter hoch, reicht die Sicht mitunter über die Kvarner Bucht bis zu den Alpen im Norden und der Lagunenstadt im Westen.Abgesehen von der Nähe zu Venedig und dem kaiserlichen Wien locken Ausflugsziele auf der Halbinsel Istrien mit ihren kleinen auf Hügeln liegenden Städten. Meist waren es venezianische Festungen wie Groznjan, die Stadt der Künstler, oder Motovun, das bekannt ist für seine Trüffel. Die Tourismusmetropole Porec ist neben ihren Badestränden stolz auf die goldenen Mosaiken der in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommenen "Basilika des Heiligen Euphrasius". Zu einem Spaziergang durch die römische Vergangenheit animiert Pula mit seinem grandiosen Amphitheater. Auch hier tummelten sich schon Kaiser - allerdings waren sie nicht auf Freiersfüßen unterwegs, sondern erfreuten sich, wie Kaiser Augustus, an Gladiatorenkämpfe.