Wer am Fuß des Everest wandert, mag staunen. Mülltrennung ist hier durchaus ein Thema. Man kann niedrige Steinhäuser sehen, vielleicht sind es ehemalige Wohnbehausungen, mit grünem Wellblech gedeckt. Schilder hängen über Durchlässen, die einst Fenster gewesen sein mögen, auf Nepali und Englisch steht dort "Glas und Dosen" über dem einen und "Plastik und Papier" über dem anderen. Auch auf den Wegen und in den Dörfern ist es erstaunlich sauber. In der Region am Everest liegt wenig Müll herum.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es die Sherpas und die Nepali im Allgemeinen nicht so sehr mit dem Öko-Gedanken haben. Sieht man die Regionen, die weniger von Touristen frequentiert werden als das Spotlight Khumbu, schaut man sich in der Hauptstadt Kathmandu um, dann gewinnt man ein völlig gegensätzliches Bild. Ob Stadt oder Land: Täler voller Plastiktüten, Flussbetten voller Fäkalien, Berge von Blechdosen und undefinierbare wilde Müllhalden aller Art gibt es überall in dem armen Land.
Am Everest selbst ist das Müllproblem seit Langem bekannt. Sauerstoffflaschen, alte Zelte und Schlafsäcke, Fäkalien, vor allem von westlichen Touristen und Alpinisten hinterlassen, sind immer wieder ein Thema. Mit der wachsenden Masse jener, die den Berg besteigen wollen, steigt auch die Menge des Unrats, der zwischen Basislager und Todeszone liegen bleibt. Der Klimawandel macht das Problem nur noch sichtbarer: Weil es in den vergangenen Jahren am Mount Everest ungewöhnlich warm war, tauchen auch die Hinterlassenschaften längst vergangener Expeditionen wieder aus dem Eis auf.
Mit unterschiedlichen Ansätzen und mäßigem Erfolg versucht die nepalesische Regierung ebenso wie die Regierung in Beijing dem Problem seit Jahren entgegenzuwirken. Bereits 2008 startete die erste Eco-Everest-Expedition auf den Berg, um den Müll abzuräumen, unterstützt vom International Centre for Integrated Mountain Development mit Sitz in Nepal, vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der nepalesischen Regierung. Bis 2012 wurden mehr als 13.500 Kilogramm Abfall und mehr als 450 Kilogramm menschliche Abfälle sowie die Überreste von fünf toten Kletterern hinabgebracht.
Zwei Tonnen Fäkalien eingesammelt
Immer wieder wurden zuletzt auch die Touristen in die Pflicht genommen. 2018 wurde gemeldet, dass China bereits mehr als acht Tonnen Müll vom Mount Everest gesammelt habe, darunter mehr als zwei Tonnen menschliche Exkremente. 30 Bergsteiger hatten den Dreck zuvor quasi per Hand aufgelesen. In Tibet müssen Bergsteiger bereits seit 2015 auf ihrem Weg zum Gipfel mindestens acht Kilo Unrat aufklauben. Hundert Dollar für jedes nicht abgelieferte Kilogramm Müll stellen die chinesischen Behörden Zurückkehrenden in Rechnung.
In Nepal gelten ähnliche Regeln. Im vergangenen Jahr sollen dort Bergsteiger fast vierzig Tonnen Abfall vom Everest mit zurückgetragen haben. Obwohl laut der Nichtregierungsorganisation Sagarmatha Pollution Control Committee (SPCC) nur jeder zweite Kletterer die geforderte Menge an Müll abliefere. Denn die bis zu viertausend Dollar Strafe sind natürlich ein Witz gegen das, was die Kletterer zahlen, um hinaufzulaufen. 2019 haben die nepalesischen Behörden zudem Einwegkunststoffe in der Everest-Region verboten.
Alle Plastiktrinkflaschen und Kunststoffe mit einer Breite von weniger als dreißig Mikrometern sind demnach in der Provinz verboten. Eine besondere Herausforderung sind die Exkremente der Bergsteiger am Mount Everest. Sie werden entweder gar nicht entsorgt – oder in Sickergruben nahe dem kleinen Sherpa-Dorf Gorak Shep unterhalb des Basislagers. Doch hier droht neue Gefahr: Während des Monsuns können die Gruben überlaufen und das Trinkwasser verseuchen. Auf der chinesischen Seite geht man mittlerweile einen anderen Weg: Die Behörden arbeiten an umweltfreundlichen Toiletten.

Nepalesische Soldaten als Müllsammler?
Für 2020 waren an die fünfzig weitere Aufräumaktionen auf dem Mount Everest geplant. Doch dann kam die Pandemie. Die Regierung in Kathmandu plante, 35.000 Kilogramm Müll vom Everest und fünf weiteren Himalaja-Gipfeln zu entfernen – neben dem höchsten Berg auch vom Lhotse, Pumori, Ama Dablam, Makalu und Dhaulagiri. Die Armee sollte für die Aufgabe eingesetzt werden, für die etwa acht Millionen Euro veranschlagt wurden.

Aus: "8849. Massentourismus, Tod und Ausbeutung am Mount Everest" von Oliver Schulz. Erschienen im Westend Verlag, 192 Seiten, Preis: 18 Euro.
Doch um diesen Einsatz entbrannte ein bizarrer Streit. Einige führende Bergsteiger Nepals beanspruchten den Job für ihre Zunft. So sagte der bekannte Alpinist Kami Rita Sherpa, dass die Armee schlicht nicht in der Lage sei, die Hochlagen zu erreichen.
"Sie haben zwar Müll aus niedrigeren Lagen gesammelt", meinte er im Zeitungsinterview, "aber sie sollten Sherpas mobilisieren, um Müll aus höheren Lagen zu beseitigen. Das können nur Sherpa-Führer und Träger". Und die sollten eine angemessene Bezahlung erhalten. "Climbing-Sherpas sind die richtigen Leute, um die Gipfel zu säubern", pflichtete ihm Phurba Tashi Sherpa bei. Der Sprecher der nepalesischen Armee, Bigyan Dev Pandey hielt dagegen, er sei zuversichtlich, dass sein Team während der Aufräumarbeiten die oberen Bereiche erreichen könne.
Tatsächlich können die nepalesischen Behörden zwar auf einige Erfahrung in dem Bereich verweisen – so haben sie nach eigenen Angaben allein 2019 rund zehntausend Kilogramm Abfall an den höchsten Bergen der Welt entsorgt. Doch es ist sicher keine einfache Aufgabe, gebrauchte Sauerstoff- und Kochgasflaschen, Kletterausrüstung, Lebensmittelverpackungen, Dosen und Flaschen aus höheren Lagen herunterzubringen. In einigen Fällen liegt der Müll bekanntlich seit Jahrzehnten im Schnee und im Eis.
Eine weitere Herausforderung für die Bergungsmannschaften sind die Leichen der verunglückten Bergsteiger, die bis heute am Berg liegen. "Sherpas riskieren dabei ihr Leben – die meisten Körper sind vereist und wiegen daher gut 150 Kilogramm", sagte Ang Tshering Sherpa, der ehemalige Vorsitzende des nepalesischen Bergsteigerverbands internationalen Medien. "Leichen von den oberen Everest-Camps abzutransportieren ist eine besonders schwierige Aufgabe."
Auszug aus dem Buch: "8849. Massentourismus, Tod und Ausbeutung am Mount Everest" von Oliver Schulz. Erschienen im Westend Verlag, 192 Seiten, Preis: 18 Euro.
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