Ferien in der Krise Reisebranche bläst zur Rabattschlacht

Den Deutschen ist ihr Urlaub heilig, daher wird auch im Krisenjahr 2009 gereist. Laut einer stern-Umfrage wollen 57 Prozent in den Urlaub fahren, 40 Prozent planen noch. Nur gebucht wurden bislang weniger Reisen als in den Jahren zuvor. Daher hat die Reisebranche nun eine eigene "Abwrackprämie" eingeführt.
Von Swantje Dake

Mit erschreckenden Zahlen startete die Reisebranche ins Jahr: 35 Prozent der Deutschen hatten sich im Januar noch nicht entschieden, ob und wo sie Urlaub machen. "Das ist dramatisch", sagt Freizeitforscher Horst Opaschowski. Der Wissenschaftler beobachtet die Branche seit 25 Jahren, hat eine derartige Zurückhaltung noch nicht erlebt. "Wenn es der Wirtschaft schlecht geht und Kurzarbeit und Jobverlust drohen, können Arbeitnehmer nicht beruhigt in Urlaub fahren", so Opaschowski.

Die Bedenken der potentiellen Urlauber schlagen sich in den Buchungszahlen der Reiseveranstalter nieder: Der Januar waren miserabel. Bei Tui und Thomas Cook musste man Buchungsrückgänge um zehn Prozent hinnehmen. Beide Veranstalter machen zusammen die Hälfte des deutschen Marktes aus. Hinter vorgehaltener Hand spricht man über 20 Prozent weniger Buchungen bei einigen Mitbewerbern. "Dennoch spiegelt diese Entwicklung nicht den Gesamtmarkt wieder", sagt Thomas Schäfer vom Deutschen Reiseverband. Konkrete Zahlen wird es erst Mitte März geben.

Frühbucherrabatte bis Ende April

Offensichtlich sind die Zahlen aber mies genug, um erfinderisch zu werden. Die Branche hat ihre eigene Abwrackprämie entwickelt, um den Absatz anzukurbeln - Frühbucherrabatte. Kein neues Instrument, aber stets wirkungsvoll. Und: War sonst meist Ende Januar die Frühbucherfrist erreicht, werden die Angebote in diesem Jahr wochenweise immer wieder verlängert, teilweise bis Ende April. Bis zu 30 Prozent spart man derzeit im Vergleich zum eigentlichen Reisepreis.

Zudem gibt es jede Menge Vergünstigungen, die die Ferien erschwinglich machen. Die Kreativität der Touristiker ist groß: Bei Schauinsland gab es Hotels für 90 Cent am Tag, mit "Konjunkturpaketen" warb ein Veranstalter, der 50 Euro Rabatt pro Buchung anbot, Wolters-Reisen-Ferienhäuser auf Fuerteventura muss man nur zwei Wochen zahlen, bekommt die dritte geschenkt, FTI wirbt für europäische Städtereisen mit einer Gratisnacht und in den türkischen Lykia-World-Resorts bucht man Vollpension, lebt aber all inclusive. Bei Thomas Cook gibt es "Kindergeld", das bereits zwei Mal verlängert wurde. Bei Tui reisen 10.000 Kinder für 250 Euro pro Woche, zudem gibt es in 44 Hotels für jeden Gast 200 Euro Preisnachlass. Das zielt auf die Hauptgruppe der Zweifler: die Familien, für die ein Sommerurlaub ohnehin einer großen Investition gleich kommt.

Zu viele Betten auf hoher See

Dauertiefpreise für die Ferien seien aber nicht zu erwarten. "Die Frühbucherrabatte laufen spätestens im April aus, danach gelten wieder die normalen Preise", so Schäfer. Allerdings wird es wohl weiterhin Aktionen mit Preisnachlässen geben, denn die Reiseveranstalter handeln je nach Buchungslage neue Preise mit den Hoteliers aus. Reisen nach Großbritannien könnten günstiger werden, da die Mehrwertsteuer gesenkt und das Pfund abgewertet wurde. Und wenn nicht nur die deutschen Touristen wegbleiben, werden die Hoteliers an den Stränden Europas mit weiteren Angeboten locken. "Die Deutschen sind sehr reiseaffin", so Schäfer, "andere Nationen verzichten eher auf den Urlaub."

Auch der Kreuzfahrtmarkt lockt mit Rabatten, denn die Reedereien können im Gegensatz zu den Reiseveranstaltern keine Betten zurückgeben. Zudem kommen in diesem Jahr zehn zusätzliche Schiffe und der größte Kreuzfahrtmarkt, der amerikanische, ist mit der Finanzkrise zusammengebrochen. Die italienische Reederei Costa bringt seine Gäste nun mit dem Billigflieger Ryanair zum Schiff.

Im Luxussegment waren Rabatte stets verpönt. Daher wird die Preissenkung meist verschleiert. Bei der italienischen Reederei MSC gibt es einen Economy-Flug zum Hafen obendrauf, wenn eine Erste-Klasse-Kabine gebucht wird. Die edle Cunard-Reederei wirbt mit bunten Prospekten und 200 Euro Rabatt pro Person. Die amerikanische Reederei Crystal Cruise füllt das Bordkonto jeder Suite mit 2000 US-Dollar, die für Wein, Champagner, Spabehandlungen, Shopping an Bord und Trinkgelder eingesetzt werden können. Laut Reederei hängt diese Spendierfreudigkeit nicht mit der Konjunkturkrise zusammen. Man wolle feiern, dass man 15 Jahre lang als "weltbeste Cruiseline" bezeichnet wird. Royal Caribbean verspricht "individuellere Gästebetreuung" und "exklusive Serviceleistungen", was frisches Obst, bereitstehendes Trinkwasser, einen Bademantel und eine Einladung zum Cocktail mit dem Kapitän bedeutet - bei Mitbewerbern seit Jahren selbstverständlich.

Übernachten zum "Global-Meltdown-Tarif"

Hotels, die neu eröffnen, werben mit Angeboten zum Start: Das "Shangri-La" in Vancouver schenkt eine vierte Nacht, wenn der Gast drei bucht und für Suitegäste gibt es 62 Euro aufs Zimmerkonto. Die indische Luxushotelkette The Claridges wirbt für ihr neues Haus in Delhi mit dem "Global-Meltdown-Tarif". Kreative Verpackungen für die immer gleiche Aussage: Buchen Sie jetzt!

Wer noch später bucht, kann mit weiteren Schnäppchen rechnen, muss aber unter Umständen Abstriche bei der Auswahl des Reiseziels, des Hotels und des Abflughafens machen. Denn wenn Reiseveranstalter merken, dass sie ihre Flugsitze und Betten nicht verkaufen können, geben sie ihre Kapazitäten an die Fluggesellschaften und Hoteliers zurück. Und die Fluggesellschaften reagieren bereits: Air Berlin und Condor streichen Strecken, einzelne Abflughäfen oder Flüge. "Für Veranstalter gilt Marge statt Menge", so Schäfer. Also lieber weniger Plätze komplett ausbuchen, als einen großen Flieger halb leer abheben lassen. "Wenn Mitbewerber vorpreschen, werden auch wir unsere Flugkapazitäten leicht anpassen", sagte kürzlich Rewe-Tourisitk-Chef Rembert Euling. Die Reisebranche scheint sich für das Abwracken zu schämen, aber vielen Veranstaltern und Hoteliers wird in den Krisenzeiten keine Alternative bleiben. Andernfalls beginnt nach der Frühbuchersaison gleich die Last-Minute-Zeit.

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