Zurzeit erlebt die Basketball-Bundesliga die spannendste Phase der Saison. In den Play-offs wird der neue deutsche Meister ermittelt. Bamberg ist der große Favorit, und wahrscheinlich wird die Mannschaft von Trainer Andrea Trinchieri mit ihrer Titelverteidigung Geschichte schreiben – denn die Liga feiert Geburtstag. Vor 50 Jahren wurde sie gegründet. Sie begann klein, in muffigen Schulturnhallen mit Sprossenwänden, hat sich aber mittlerweile zu einer sehr guten Adresse im europäischen Basketball entwickelt.
Grund genug für die Liga, sich mit einem Buch selbst zu gratulieren. "50 Jahre Basketball Bundesliga", so der Titel, ist jedoch kein PR-Produkt geworden, wie man fürchten könnte. Das liegt daran, dass nicht Marketingleute das Buch geschrieben haben, sondern Journalisten, die die Liga lange verfolgen. Viele von ihnen schon seit Jahrzehnten.
Unter der Leitung von Sven Simon, früher selbst Journalist und einer besten Kenner der hiesigen Liga, ist ein herrliches Buch entstanden: leicht im Ton, fachlich fundiert, oft ironisch, immer mit liebevollem Blick auf den Sport. Basketball ist in diesem Buch viel mehr als nur eine Leibesübung. Basketball wird als popkulturelles Phänomen gedeutet; natürlich geht es in dem Kompendium um Punkte, Helden und Meistertitel. Aber es geht eben auch um Frisuren, Mode und Posen.
Eine Karriere, die heute im Basketball undenkbar wäre
Sven Simon und sein Team besitzen ein feines Gespür fürs Absurde und Skurrile. Wunderbar schon das erste Foto im Buch: Es zeigt den 2,21 Meter langen Center Gunther Behnke vor einer Telefonzelle. Behnke steht da steif und ungelenk auf staksigen Beinen; er hält den Telefonhörer einen halben Meter weg vom Ohr – so wie kein vernünftiger Mensch einen Hörer hält. Aber um ein authentisches Bild ging es dem Fotografen auch gar nicht. Es ging um die Vermittlung der simplen Botschaft: Boah, ist der Behnke groß.
Gunther Behnke ist einer der Helden der Basketball-Bundesliga. 30 Jahre, von 1980 bis 2000, ging er unter anderem für Leverkusen, Berlin und Bonn auf Korbjagd. Allein in Leverkusen blieb er zwölf Jahre und absolvierte 317 Spiele.
Undenkbar eine solche Karriere unter den heutigen Bedingungen. Spieler akzeptieren meist nur Einjahres-Verträge; immer soll es die Option geben, sich zu verbessern: zu einem größeren Verein zu wechseln, für mehr Geld und mehr Ruhm.
Die Basketball-Bundesliga ist deutsche Erfolgsgeschichte, die erst ermöglicht wurde von Entwicklungshelfern aus dem Ausland. Vor allem amerikanische Spieler und Trainer aus dem ehemaligen Jugoslawien haben den Deutschen einen enormen Schub verpasst. Als zum Beispiel der Spielmacher Terry Schofield im Oktober 1973 aus Los Angeles zum Bundesligisten Göttingen wechselte, war er schockiert von seinem neuen Team, das sich wie eine Theken-Mannschaft benahm: "Alle haben geraucht, Selbstgedrehte oder Roth-Händle, sogar in der Halbzeitpause. Die hatten alle gelbe Finger vom Rauchen." Schofield, der in seiner Jugend zusammen mit Kareem Abdul-Jabbar gespielt hatte, bis heute einer der besten Center in der Geschichte der NBA, zeigte seinen Mitspielern, wie man trainiert (nämlich öfter als einmal in der Woche), wie man sich ernährt (keine belegten Brötchen während der Partie) und führte moderne Spielsysteme ein. Schofield wurde 1980 Bundestrainer und hob das Nationalteam auf ein neues Level.
Lernprozess ist bis heute nicht abgeschlossen
Die bislang größten Erfolge gelangen Svestislav Pesic, geboren in Novi Sad und ehemaliger Spielgestalter von Bosna Sarajewo. Pesic führte die Deutschen 1993 zum EM-Titel. Eine Sensation war das, im Finale besiegten sie die hoch favorisierten Russen 71:70. Später wurde Pesic Trainer in Berlin. Unter seiner Regie wurde Alba Berlin eine Macht in der Bundesliga und ließ auch in Europa aufhorchen. 1995 gewann Alba den Korac-Cup, vergleichbar mit dem früheren Uefa-Cup im Fußball. Heute trainiert Pesic die Basketballer des FC Bayern München. Sein Sohn Marko ist dort Sportdirektor.
Das Jubiläums-Buch zeichnet Entwicklungsgeschichte der Liga detailliert nach. Der Lernprozess ist bis heute nicht abgeschlossen. Die prägenden Trainer kommen noch immer aus dem Ausland; die besten Spieler sowieso. Sven Simon und sein Autorenteam haben sich den Lehrmeistern und ihren gelehrigen deutschen Schülern in ausführlichen Portraits genähert. Das liest man gern, das blättert man gern, allein die Fotos sind eine Wucht: Die Fußballer der 70er und 80er Jahre, oft bespöttelt wegen ihrer Vo-ku-hi-la-Frisuren (vorne kurz, hinten lang) und ihren Schnauzbärten, hatten in den Basketballern Brüder im Geiste – das dokumentiert Simons Buch eindrucksvoll. Modisch war die Basketball-Bundesliga schon früh absolute Weltklasse.
"50 Jahre Basketball Bundesliga" (220 Seiten, 29,90 Euro); erhältlich unter: www.50JahreBBL.de.