Lando Norris muss sich fast schon wie ein möglicher Weltmeister 2. Klasse vorkommen. Auch nach seiner tadellosen Fahrt zum triumphalen Sieg beim Großen Preis von São Paulo ertönten Buhrufe - wie schon zuvor beim noch viel souveräneren Erfolg des 25 Jahre alten Briten von McLaren in Mexiko-Stadt. "Es gibt immer Leute, die versuchen, einen ein wenig herunterzuziehen", sagte Norris: "Das ist nicht gerade das Schönste."
Britische Presse: "Verstappen fuhr wie ein Gott"
Norris' größtes Problem heißt Max Verstappen - nicht, wenn es um die Punkte im WM-Klassement der Formel 1 drei Grand Prix vor dem Ende geht. Es ist eine emotionale Sache, Verstappen krönte sich in Brasilien zum Weltmeister der Herzen. Aus der Boxengasse auf Platz drei. "Unglaublich", sagte er selbst. Und das ein Jahr, nachdem er auf dem Kurs in Interlagos schon einmal eine Leistung für die Geschichtsbücher der Motorsport-Königsklasse hingelegt hatte und von Startplatz 17 zum Sieg gerast war.
"Verstappen fuhr wie ein Gott!", attestierte nun sogar die "Daily Mail" aus Norris englischer Heimat. "Es war eine außergewöhnliche Fahrt, auch wenn Lando Norris mit seinem Sieg in Interlagos ein perfektes Wochenende hinlegte und damit einen Anspruch auf den Titel geltend machte", schrieb der "Guardian". Nicht anders die Lobeshymnen aus Spanien. "Norris triumphiert in Brasilien und baut seinen Vorsprung aus, doch Verstappen bleibt der König: Max liefert eine Glanzleistung vom letzten Platz", hieß es bei "Mundo Deportivo".
Doch der König muss seinen Thron räumen, sollte nicht noch ein kleines Formel-1-Wunder passieren. Mit 49 Punkten Rückstand reist Verstappen in knapp anderthalb Wochen nach Las Vegas. Dass er Zähler auf Oscar Piastri im zweiten McLaren aufholen konnte und 25 hinter dem Australier liegt, ist nicht mehr als Statistik.
Die Abwärtsspirale von Norris-Teamkollege Piastri
Der 24 Jahre alte Australier, der so lange in der Saison wie der Titelkandidat Nummer eins mit sieben Rennsiegen aussah, schaffte es nach seinem dritten Rang in Italien in den vergangenen fünf Grand Prix nicht mal mehr aufs Podest. "Wenig Form, kein Schwung: Piastris schlechte Serie hält an, und der Zeitpunkt könnte nicht schlechter sein", stellte Australiens "The Age" fest: Piastri befinde sich "in einer Abwärtsspirale".
Konstanz auf höchstem Niveau zeigt pikanterweise seit Piastris Krise eingesetzt hat, dessen Teamkollege. "Obwohl er einst als zerbrechlich galt, hat sich der McLaren-Pilot deutlich verbessert und sich in der Schlussphase der Saison als ernstzunehmender Titel-Herausforderer etabliert", schrieb Frankreichs "L'Équipe" über Norris.
Der Brite, der auch schon seine siebte Formel-1-Saison fährt, haderte oft mit sich. Er machte Fehler und haderte noch mehr. Offen sprach er im vergangenen Jahr auch mal darüber, dass er an Rennsonntagen so nervös sei, dass er kaum etwas essen oder trinken könne.
Im WM-Duell mit Verstappen 2024 musste er sich letztlich klar geschlagen geben. In diesem Jahr kam die Wende zum richtigen Zeitpunkt. Aus den 34 Punkten Rückstand nach Piastris Sieg in den Niederlanden sind 24 Zähler Vorsprung geworden.
Eines hat Norris in diesem Jahr gelernt
Er habe sich zu Jahresbeginn wahrscheinlich zu viele Gedanken darüber gemacht, wie die Menschen ihn wahrnehmen würden und er dargestellt werde, sagte Norris in São Paulo nach seinem siebten Saisonsieg. "Ich habe gelernt, besser mit diesen Dingen umzugehen", betonte er. Nicht, indem es ihm nun egal sei. "Ich möchte immer noch einen guten Eindruck hinterlassen."
Es gehe eher darum, sich auf sich selbst zu konzentrieren, sagte Norris. Dann sollte es auch mit dem Weltmeister 1. Klasse klappen.