Großer Preis von Frankreich Nervenkrieg für Hamilton

Von Elmar Brümmer, Magny Cours
Crash! Boom! Bang! Zwei Wochen hat Hamilton Zeit gehabt, sich von dem kräftigen Rumms, mit dem er sich und Kimi Räikkönen in Montreal aus dem Rennen bugsiert hat, zu erholen. Der Große Preis von Frankreich ist für den Silberpfeil-Piloten ein Rennen ums Selbstvertrauen.

Lewis Hamilton fährt, zwei Wochen vor dem längst ausverkauften Heimspiel in Silverstone, auf Bewährung. Zum wiederholten Mal in seinem zweiten Formel-1-Jahr. Deshalb hat es in den vergangen zwei Wochen reichlich Aufarbeitungsbedarf gegeben im "Human Development Center" von McLaren, wo regelmäßig der Stresslevel gemessen wird. Der finnische Olympiaarzt Aki Hintsa ist auch der Seelendoktor des Teams.

Lewis Hamilton hatte nach dem Gefühlstief von Kanada erstmals öffentlich gestanden: "Es gibt so viel Druck. Ich kann gar nicht beschreiben, wie dermaßen groß der Druck ist, der da auf meinen Schultern lastet." Die Selbsterkenntnis ging noch weiter: "Ich lade mir selbst viel auf. Ich habe mich selbst zu sehr unter Druck gesetzt, und zu sehr am Limit zu sein, führt zu Fehlern." Wüsste man nicht um die Abgezocktheit des 23-Jährigen auf der Piste, man müsste sich wohl richtig Sorgen machen.

Kubica, der schmerzlose Rivale

Gegen die öffentliche Erwartungshaltung anzufahren, ist ihm bisher nicht schwer gefallen, die ist ja praktisch deckungsgleich mit seiner eigenen. Auch, dass da mit WM-Tabellenführer Robert Kubica im BMW ein ähnlich kompromissloser und scheinbar völlig schmerzfreier neuer Rivale aufgetaucht ist, macht ihm keine große Sorge. Aber wie kommt er mit der Häme klar? Als McLaren-Mercedes Ende 2007 den beinahe sicheren WM-Titel für Hamilton durch einen unglückseligen Mix aus menschlichen, technischen und strategischen Fehlern in den letzten beiden Rennen noch verspielte, überwog das Mitleid. Jetzt schlägt Hamilton, dem erklärten Favoriten für 2008, die blanke Häme entgegen.

Von der mentalen Stärke her galt Hamilton bisher als weltmeisterlich, aber im Titelrennen vergangenes Jahr und in den letzten Wochen hat er sich die erarbeitete Führungsposition immer wieder durch Flüchtigkeitsfehler zerstört. Hamilton ahnt, dass er dringend entkrampfen muss: "Der Sport macht Spaß, aber man muss es genießen lernen." Hamilton scheint in seinem Perfektionismus schon jetzt auf der Schumacher-Ebene zu sein, und der Rekord-Weltmeister wäre trotz aller Erfahrung beinahe immer wieder am überhöhten eigenen Anspruch zerbrochen. In der Golfersprache nennt sich der böse Zauber der daraus resultierende Unsicherheit "Jinx" - und selbst ein Tiger Woods bleibt davon nicht verschont.

Der Kampf mit den F-1-Gesetzen

Eine Situation, auf die die etablierten Piloten nur gewartet haben. Kimi Räikkönen hält die Rückstufung Hamiltons in Magny-Cours um zehn Startplätze (das gleiche Schicksal blüht Nico Rosberg) nur für gerechtfertigt. "Ich kann nicht glauben, dass er die rote Ampel nicht gesehen hat, und noch weniger kann ich glauben, dass er zwei stehende Autos nicht gesehen hat", sagt der Finne, der durch den Crash in der WM-Wertung um sieben Punkte hinter Robert Kubica (42) und je drei hinter Hamilton und Felipe Massa (38) zurückgefallen ist.

Hamilton hat alle Gesetze der Formel 1 schnell gelernt, und er weiß nicht erst nach der Lektüre der britischen Boulevardzeitungen, dass er gegensteuern muss: "Das hat nichts mit einem Tiefpunkt meiner Karriere zu tun. Es war einfach nur einer jener Zwischenfälle, die man erlebt und dann schnell abhakt. Im Rennen war ich ja eigentlich in Topform..." Das gelernte Prinzip der eigenen Gehirnwäsche, negative Energie in Positives umzuwandeln, funktioniert immer noch bestens. Natürlich kommt sein alter Gegenspieler Fernando Alonso zu einem ganz anderen Schluss: "Die Fehler von Lewis überraschen mich nicht. Die wirklich seltsamen Resultate gab es im vergangenen Jahr, als er neun Mal hintereinander aufs Podium fahren konnte. Dafür braucht es ganz sicher auch Glück und das lag nicht alles am Fahrer. Dieses Jahr läuft alles normal..."

Nobody is perfect

"Ich würde mich mehr ärgern, wenn ich in Kanada mit zehn Sekunden in Führung liegend gegen die Mauer gefahren wäre", reflektiert der Brite in Magny-Cours und will den Crash nur noch als einen "kleinen, dummen Zwischenfall" gewertet haben. Und logisch, er fahre immer auf Sieg. Als Banalität möchte auch Ziehvater Ron Dennis, der mit Hamilton einen Fünf-Jahres-Vertrag zum Salär von angeblich 19 Millionen Euro per anno abgeschlossen hat, die neuerliche Boxengassen-Panne abtun.

Der BigMc wähnt bereits eine "typisch britische" Heldenzerstörung in den Medien. Er weigert sich strikt, in seinem Imperium Rat von außen zuzulassen, sei es ein echter "Spin doctor" für das Image oder ein Coach für die Fahrer. Mercedes-Sportchef Norbert Haug beteuert, das Lewis keine Motivationspille gebraucht habe: "Er ist immer sehr kritisch mit sich selbst, aber er ist nicht geknickt. Er ist noch jung, und da darf auch mal was schief gehen."

Bislang hat Hamilton nach einer heftigen Formschwankung stets mit einem besseren Rennen vieles wieder gut gemacht, die Hälfte seiner bislang 24 Formel-1-Rennen hat er als Erster oder Zweiter beenden können. "Aber nobody is perfect", sagt Norbert Haug. Und das ist eigentlich eine sehr beruhigende Nachricht aus dem Hamilton-Lager.

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