Anmerkungen aus der Fußballprovinz "Der würde auch seine Oma verkaufen"

Von Oliver Fritsch
Uli Hoeneß ist, zumindest nach üblichen Kriterien, der erfolgreichste Fußballmanager Deutschlands. Doch das allein genügt ihm nicht, er möchte zudem der gute Mensch von München sein - nicht zuletzt, um wiederum Vorteile daraus zu schlagen.

Erst letzte Woche hat Bayern-Manager Uli Hoeneß in einem Interview mit der "Zeit" wieder mal die Werte "Fürsorge, Verlässlichkeit und Menschlichkeit" ins Feld geführt, die er "in einer Fußballwelt, die bestimmt ist von erbitterter Konkurrenz, Rücksichtslosigkeit und menschlichen Flüchtigkeiten, erhalten" wolle. Und von wem stammt wohl das Zitat: "Ich bin einer der sozialsten Menschen, die ich kenne"? Dünner trägt er nicht auf, wenn's um die Fragen geht: Was dürfen wir tun, wie sollen wir handeln, an wem können wir uns orientieren?

Aber warum denn immer Moral predigen, wo doch vor allem Erfolg, Macht und Geschäft gemeint sind? Hoeneß mag ein verlässlicher Mann sein, und man muss ihm zugutehalten, dass er vor sieben Jahren einen koksenden Lügner als Bundestrainer verhindert - und dabei seinen eigenen Ruf und Job gefährdet hat. Doch den Friedens-Uli gibt's nur, wenn die Verhältnisse in der Fußballnation geklärt sind, so wie jetzt: Bayern steuert mit großem Vorsprung auf die nächste Meisterschaft zu, DFB-Pokal und Uefa-Cup sind noch möglich. Läuft die Sache anders, erleben wir den Polterer, auch schon mal den Handgeldzahler und den Geheimvertragschließenden. Was bitte schön ist das für eine Moral, die von Umständen abhängt?!

FC Bayern – der bestgehasste und populärste Verein

Am letzten Sonntagsfrühschoppen im DSF hat er, umgeben von den üblichen Beifallklatschern, Schalke im gönnerhaften Ton des Überlegenen dazu geraten, ihren Trainer nicht weiter öffentlich anzuzweifeln. Es stimmt ja, was er sagt. Doch schon vergessen? Es waren die Bayern (wenn auch nicht Hoeneß persönlich, sondern vor allem Karl-Heinz Rummenigge), die Ottmar Hitzfeld, den besten deutschen Trainer der Gegenwart, wegen seiner Rotationsmethode weggemobbt haben. Hoeneß' Einwand, in der Sache habe Rummenigge ja richtig gelegen, weil es damals nicht so gut gelaufen sei, kann er vielleicht jemandem verkaufen, der in Bayern-Bettwäsche schlafen geht. Die Bayern waren im Herbst (fast) genauso gut wie jetzt, trafen lediglich in ein paar Spielen das Tor nicht so oft.

Zum Autor

Oliver Fritsch (36) ist freier Journalist und Gründer der drei Online-Plattformen indirekter-freistoss.de, der täglichen Fußball-Presseschau, hartplatzhelden.de, der Video-Community für Amateurfußballer und direkter-freistoss.de, einem Zirkel ausgewählter Fußball-Blogger. Außerdem ist er beim mittelhessischen Kreisligisten RSV Büblingshausen als Spielertrainer und Libero aktiv, aber nicht übergewichtig.

Jüngst ist wieder eine Studie erschienen, die den Bayern bescheinigt, der populärste Verein Deutschlands zu sein. Was solche Untersuchungen freilich immer vergessen: Er ist gleichzeitig auch der bestgehasste. Dieser Gegensatz resultiert aus dem Wir-gegen-den-Rest-Gehabe der Bayern, das wir zurzeit exemplarisch bei der politischen Entscheidung der TV-Vermarktung erleben dürfen. Anderes Beispiel, bei dem der Trumpf "Moral" zumindest nicht schaden kann: Der DFB gibt nun tatsächlich dem Drängen der großen Bayern, ein Abschiedsspiel für Oliver Kahn anzusetzen, obwohl man Abschiedsspiele vor Jahren abgeschafft hat. Wegen Kahns Verdienste heißt es und nur ausnahmsweise. Bis zur nächsten Ausnahme versteht sich. Denn die letzte Ausnahme von einer anderen Regel, nämlich der keine Freundschaftsspiele gegen Klubmannschaften auszutragen, gestattete der DFB wohl wem? Richtig geraten: dem FC Bayern zur Eröffnung der Allianz Arena im Jahr 2005. Ein Spiel, bei dem Jens Lehmann ausgepfiffen wurde und die Nationalelf mit hämischen Gesängen ("Wir sind besser als das ganze Land") beschenkt. Es gab ordentlich Zoff mit Oliver Bierhoff, dem DFB-Manager.

"Er ist halt ein Schwab"

Doch die Familie FC Bayern ist intakt, ehemalige Mitstreiter lässt Hoeneß nicht verkommen. Ob der FC Bayern "ein herzloser Krösus sei, der sich seinen Wettbewerbsvorteil erkaufe", will die "Zeit" wissen. "Es gibt keinen ehemaligen Spieler, keinen ehemaligen Angestellten, keinen ehemaligen Trainer des FC Bayern", behauptet Hoeneß, "der dieses Image bestätigen würde." Die WDR-Sportsendung "Sport Inside" hat doch einen ausfindig gemacht: Jupp Kapellmann, Bayern-Profi in den 70ern und Hoeneß' Mitspieler, sagt im gelassenen Ton desjenigen, der sich vom Fußball-Business abgewendet hat: "Er ist halt ein Schwab'. Der würde auch seine Großmutter verkaufen." Kapellmann wechselte übrigens in dem Moment den Verein, als sich Hoeneß auf den Managerstuhl setzte, da er unter einem Vorgesetzten wie Hoeneß nicht arbeiten wollte. Auch der loyale Diplomat Hitzfeld hat übrigens schon Zwischentöne angeschlagen.

Tief im Inneren will Hoeneß das, was die meisten von uns wollen: geliebt werden. Auf dem Höhepunkt seiner Legislatur, 2001 nach dem Champions-League-Titel, träumte er laut vom FC Deutschland. Beliebter zu sein als die Nationalelf - das schien ihm zu einer Zeit, da diese an den Folgen des Ribbeckschen Sturzflugs litt, nur noch eine Frage der Zeit. Daher darf man sich Hoeneß als jemanden vorstellen, der das Sommermärchen 2006 mit einem weinenden Auge betrachtet hat. Warum kann mein FC Bayern nicht Millionen auf die Straßen locken? Aber er ist auch ein Mensch, der lernt. Er hat sich den Sunnyboy Jürgen Klinsmann gekauft.

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