Bayern ohne Schweinsteiger Ziele in Gefahr

Von Klaus Bellstedt
Die Verletzung von Bastian Schweinsteiger trifft die Bayern voll ins Mark. In Bundesliga und Champions League stehen für die Münchener die Wochen der Wahrheit an. Aber ohne den wichtigsten Spieler fehlt der Mannschaft ihre Seele.

Bastian Schweinsteiger ist keine stattliche Erscheinung, auch wenn er stets die Brust rausdrückt. 1,83 Meter steht in seinem Spielerpass, bei 77 Kilogramm Körpermasse. Und doch ist der 27-Jährige immer präsent - bei den Bayern und in der Nationalmannschaft. Philipp Lahm ist zwar Kapitän beider Teams, aber auch ohne Binde ist Schweinsteiger der Boss. Nach seinem Außenbandriss fällt der Chefstratege nun wochenlang aus.

Das trifft auch Joachim Löw. Die EM im Sommer ist zwar nicht in Gefahr, aber für das einzige ernstzunehmende Testspiel vor Beginn des Turniers am 29. Februar gegen Frankreich muss er ohne Schweinsteiger planen. Der Bundestrainer muss experimentieren. Seine Stammelf kann er nicht testen. Und doch wird die DFB-Auswahl das Fehlen Schweinsteigers irgendwie kompensieren. Beim 3:0 gegen Holland im vergangenen November gelang ihr das schon mal.

Herz und Motor der Bayern-Mannschaft

Ob die Bayern aber ihren wichtigsten Mann in den kommenden Wochen mit vielen Matches im Drei-Tages-Rythmus ersetzen können, bleibt abzuwarten. Zweifel sind angebracht. "Das wäre fatal und ein sehr herber Verlust", hatte Trainer Jupp Heynckes bereits am Mittwochabend mit Blick auf den sich abzeichnenden Ausfall seines Takt- und Ideengebers gesagt. Dem Trainer stand deshalb auch höchstens ein bisschen Freude über den bedeutungsschweren Pokalerfolg in Stuttgart im Gesicht, aber keinerlei Erleichterung oder gar Genugtuung. Heynckes weiß: Schon als Schweinsteiger wegen eines Schlüsselbeinbruchs zum Ende der Hinrunde zwei Monate fehlte, verloren seine Bayern plötzlich an Souveränität - und an Boden auf die Konkurrenz.

Bastian Schweinsteiger ist Herz und Motor der Bayern-Mannschaft. Er ist die Seele im Spiel des deutschen Rekordmeisters. Lange schon hat er in der Mitte des Platzes die Zweikampfkultur für sich entdeckt - ohne dabei den wichtigen Aspekt der Spieleröffnung von hinten heraus zu vernachlässigen. Oft genug ist der Mittelfeldspieler das Scharnier im Spiel der Bayern. Schweinsteiger fordert den Ball, nimmt Tempo auf und tritt auch mal auf den Ball, wenn es zu hektisch wird. Moderner als er kann man diese so wichtige Sechser-Position im Weltfußball nicht interpretieren.

Halbwegs beruhigende Ersatzlösung

Sicher, auch der Nationalspieler hatte in den drei vergangenen Bundesliga-Spielen seiner Bayern nicht herausgeragt, aber Schweinsteigers Formkurve stieg zuletzt kontinuierlich an. Beim 1:1 gegen den HSV gehörte er schon wieder zu den Besten. Umso mehr schmerzt jetzt der Ausfall. Noch dazu, weil Meister Dortmund mittlerweile in der Tabelle an den Bayern vorbeigezogen ist. Für die Jagd nach der Schale ist der Schweinsteiger-Schock ein schwerer Rückschlag. Die Ziele sind in Gefahr, auch die in der Champions League. Philipp Lahm hat das längst erkannt. "Das ist sehr, sehr bitter", meinte der Kapitän am Donnerstag, als er über die genaue Diagnose (Riss des vorderen Außenbandes im rechten Sprunggelenk) informiert wurde. Wie schwer Schweinsteiger selbst innerhalb des Münchner Luxuskaders zu ersetzen ist, "haben wir schon in der Hinrunde gesehen", so Lahm weiter.

In den kommenden Wochen müssen es also die anderen richten. Immerhin: Heynckes' Umbaumaßnahmen vom Mittwoch förderten quasi nebenbei auch eine halbwegs beruhigende Lösung für das defensive Mittelfeld zutage. Luiz Gustavo machte gegen den VfB Stuttgart ein überragendes Spiel. Als Partner für den Brasilianer kommen David Alaba und Anatolij Tymoschtschuk infrage. Keine Frage: alles gute Spieler. Aber an die Klasse eines Bastian Schweinsteigers kommt keiner von ihnen heran.

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