Wo war eigentlich Arjen Robben? Bei seiner Frau, die vor wenigen Tagen einen Sohn zur Welt gebracht hat? Das dachten wohl die meisten, als sie auf den Aufstellungsbogen der Pokalpartie zwischen dem VfB Stuttgart und FC Bayern München sahen und den Namen des Holländers dort vergeblich suchten. Nur wer zweimal hinschaute, fand Robben schließlich doch noch: unter den Reservespielern. Jupp Heynckes hatte sich also tatsächlich getraut und seinen Rechtsaußen in diesem wichtigen Viertelfinale draußen gelassen. Für Robben beackerte Thomas Müller die rechte Außenbahn und machte in der Mitte so den Weg frei für Toni Kroos. Der hatte zuletzt im defensiven Mittelfeld aushelfen müssen - und war dort verschenkt. Jetzt endlich ließ Heynckes seinen Jung-Strategen wieder auf dessen Lieblingsposition ran. Was soll man sagen? Der Bayern-Trainer hatte mit diesem personellen Schachzug als Reaktion auf den eher zähen Start in die Rückrunde alles richtig gemacht.
Dabei begann das Pokalspiel beim VfB Stuttgart für die Bayern mit einem echten Schock. Gerade einmal fünf Minuten waren gespielt, als Bastian Schweinsteiger nach einem unglücklichen Zweikampf mit Georg Niedermeier auf dem Boden liegen blieb. Er hatte offensichtlich große Schmerzen am Sprunggelenk, rappelte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht doch noch einmal auf und schleppte sich für ein paar Momente durch die Partie. Wie ein angeschlagener Boxer im Ring, so bewegte sich Bayerns wichtigster Spieler auf dem Rasen. Schweinsteigers Durchhaltevermögen war bewundernswert. Und es zeigte, wie wichtig dem Spiritus Rector diese richtungweisende Partie war. Auch wenn der Nationalspieler kurze Zeit später ausgewechselt werden musste, seine Mitspieler hinterließen ab der 16. Minute in gewisser Weise den Eindruck, als hätten sie Schweinsteigers Signal verstanden.
Müller auf der rechten Seite wie aufgedreht
Im Vergleich zu den letzten Spielen in der Bundesliga war das Spiel der Bayern viel strukturierter. Endlich spielten sie die Angriffe, die meist schon in der eigenen Defensive ihren Ursprung fanden, auch mal wieder zu Ende. Dass Toni Kroos direkt hinter der Spitze besser aufgehoben ist, bewies er spätestens nach einer halben Stunde. Mit einem öffnenden Pass auf die rechte Seite leitete der 22-Jährige die Führung für seinen Club ein. Es war schließlich Thomas Müller, der zweite Verschiebeposten, der die Flanke wunderbar in die Mitte zirkelte, die Franck Ribéry zum 1:0 verwertete. Übrigens: Auch den zweiten Münchener Treffer bereitete der wie aufgedreht spielende Müller durch Mario Gomez (46.) vor. Wieder von rechts. Wieder per Flanke. Von Arjen Robben ging eine derartige Dynamik in letzter Zeit eher selten aus, was den über die gesamte Spieldauer auf der Bank schmorenden Holländer zu einem von zwei Verlieren an diesem bitterkalten Abend in Stuttgart machte.
Der andere Verlierer war der VfB. Nicht weil er gegen den FC Bayern mit 0:2 verloren hatte. Damit konnte man rechnen. Es war vielmehr die Art und Weise, wie die Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia das Pokalspiel absolvierte. "Wir spielen viel zu passiv, so kannst du die Bayern nicht beeindrucken", analysierte Sportdirektor Fredi Bobic schon zur Pause. Im zweiten Abschnitt dieser einseitigen Partie wurde es dann noch schlimmer. Brav, bieder, nett, mutlos: der VfB Stuttgart präsentierte sich vor eigenem Publikum dramatisch harmlos. Für die Bayern waren sie deshalb auch der perfekte Aufbaugegner - und zwar nicht nur für Toni Kroos und Thomas Müller, sondern vor allem auch für die zuletzt so anfällige Viererkette. Die beiden Innenverteidiger Jerome Boateng und Holger Badstuber hatten im Strafraum sowohl am Boden, als auch in der Luft die Hoheit. Und Philipp Lahm spulte auf der linken Seite endlich nicht mehr nur humorlos sein Pensum herunter, er schaltete sich stattdessen mit viel Dynamik immer wieder mit in die Angriffe ein. Das war der Lahm, den sich nicht nur Bayern-Fans wünschen.
Klarheit über Schweinsteigers Verletzung
Es war ein äußert souveräner und total ungefährdeter Sieg der Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes, der lediglich durch die Verletzung von Bastian Schweinsteiger überschattet wurde. Die genaue Diagnose steht übrigens noch aus. Nach der Rückkehr am Donnerstag und einer Kernspinuntersuchung in der Praxis von Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt wird auch Bundestrainer Joachim Löw mehr wissen. Die Bilder vom späten Mittwochabend aus Stuttgart lassen nichts Gutes erahnen. Mit einem dick verbundenen Sprunggelenk und an Krücken humpelte Schweinsteiger kurz nach 23 Uhr durch die Katakomben des Stadions in Richtung Mannschaftsbus. Arjen Robben überholte ihn auf diesen Metern. Der ausgebotete Holländer trug seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, darüber Kopfhörer. Tröstende Worte für seinen verletzten Kollegen waren von ihm nicht zu erwarten.