Man würde ja schon gerne mal Mäuschen spielen bei so einer Vertragsverhandlung in der Fußball-Bundesliga. Zum Beispiel bei den Gesprächen zwischen Julian Draxler und den Verantwortlichen des VfL Wolfsburg vor einem Jahr. Mündlich sei dem Nationalspieler da von Vereinsseite zugesichert worden, dass er den Verein verlassen könne, "wenn sich dazu Möglichkeiten ergeben".
Wie hat man sich das vorzustellen: "wenn sich dazu Möglichkeiten ergeben"? Heißt das: Sobald irgendein Verein auch nur leises Interesse anmeldet, darf Draxler ruckzuck gehen, wenn er nur Lust hat - trotz eines Vertrages, der bis 2020 gültig ist? Dann wäre die öffentliche Beschwerde des Nationalspielers sogar berechtigt. Ist aber eher unwahrscheinlich, dass sich der ambitionierte VfL in Vertragsgesprächen derart gebückt gibt.
Julian Draxler gibt medial eine schlechte Figur ab
Weshalb Draxler medial gerade eine ausgesprochen schlechte Figur abgibt: Er beklagt, der Verein würde über die Medien mit ihm kommunizieren - und wendet sich in seiner Verzweiflung an die Medien. Wie ein "Großer" spricht das Talent dabei im exklusiven Interview mit der "Bild"-Zeitung. So weit, so gewieft, so unsympathisch.
Was man Draxler vorwerfen kann: Er gab sein Debüt in der ersten Mannschaft des FC Schalke 04 unter Trainer Felix Magath schon mit 17 Jahren, er war Versprechen und Hype in einem durchgedrehten Verein - er müsste es als immer noch junger, alter Hase im Geschäft einerseits besser wissen. Andererseits kann man in so jungen Jahren schon mal die Bodenhaftung verlieren und unter verzerrter Selbstwahrnehmung leiden, wenn man über einen so langen Zeitraum ausdauernd als Ausnahmetalent hochgejubelt wird. Mario Götze lässt grüßen.
Die bittere Erkenntnis aus Draxlers aktueller Unzufriedenheit ist ohnehin eine andere: Er ist selbst schuld an seiner Situation, weil er sich vor einem Jahr "verwechselt" hat. Sein Abgang aus Gelsenkirchen nach Wolfsburg gehört zu den am wenigsten nachvollziehbaren der jüngeren Vergangenheit. Draxler gab seinen Status als vielversprechendes Eigengewächs eines Traditionsvereins auf, um zu einem ungefähr ebenbürtigen Konkurrenten um die Champions-League-Plätze mit allerdings deutlich geringerem Glamour-Faktor zu wechseln. Für den nächsten Schritt zu Arsenal oder Juve wäre er genau so gut - wenn nicht besser - beraten gewesen, noch ein, zwei Jahre auf Schalke zu bleiben.
Die erste große Lektion in Julian Draxlers Karriere
Das hat Draxler nach nur einer Saison und 24 Spielen für den VfL offenbar auch gemerkt. Mit einem einzigen guten EM-Spiel gegen die Slowakei hat er seinen Marktwert zudem noch einmal gesteigert. Plötzlich will er bloß noch weg aus der Autostadt, greift Dieter Hecking und Klaus Allofs an, wirft ihnen Wortbruch vor. Das ist unreif und schlechter Stil.
Julian Draxler ist 22 Jahre alt und hat in seinem jungen Fußballerleben schon eine Menge erlebt und erreicht, ist Weltmeister und EM-Teilnehmer. Aber die erste große Lektion seiner Karriere lernt er just in diesen Tagen.