Start der Bundesliga-Rückrunde Gelbe Gefahr

Von Klaus Bellstedt
Am Abend startet die Bundesliga-Rückrunde. Die Bayern werden im Topspiel von Gladbach gefordert. Ihr größter Rivale aber sitzt woanders - und könnte für eine Zeitenwende sorgen.

Im Gegensatz zu Karl-Heinz Rummenigge sei er friedlich wie ein Lamm. Das hat Präsident Uli Hoeneß selbst vor kurzem über den Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern gesagt. Die Aussage überraschte ein wenig, schmeißt man das Kopfkino an: Das Duo auf der Stadion-Tribüne, Hoeneß mit puterrotem Kopf, Rummenigge cool und gelassen. Aber Hoeneß wird wissen, wovon er spricht. Die beiden sind seit Jahrzehnten im selben Club. Noch dazu eng befreundet.

Auch deshalb werden sich die Bayern-Granden über den Überraschungscoup, der Borussia Dortmund mit der Verpflichtung von Marco Reus gelang, lange unterhalten haben. Vermutlich war Rummenigge dabei nicht ganz so ausgeglichen wie gewöhnlich. Die öffentlichen Äußerungen des Bayern-Chefs lassen darauf schließen. "Wir tun gut daran, mit der ganzen Geschichte souverän umzugehen", mahnte Rummenigge zwar. Einen Seitenhieb auf Reus mochte sich der Vorstandschef drei Tage vor dem Rückrundenstart der Bundesliga dennoch nicht verkneifen: "Er hat sich für Dortmund entschieden, das müssen wir akzeptieren - und es ist aus seiner Sicht auch einfacher. Hier hätte er sich erst einmal durchsetzen müssen." Autsch, gemein. Und nicht gerade souverän.

"Es gibt andere Clubs, in denen gute Arbeit geleistet wird"

Die Aussagen belegen, dass das Thema Marco Reus zumindest einen im Lager des Herbstmeisters nicht los lässt: den Vorstandsboss. Vielleicht muss man ihn sogar verstehen. Denn die Personalie Reus und der damit verbundene finanzielle Aufwand von 17,5 Millionen Euro sind ein teures, starkes Signal - ein Signal der Dortmunder an die Bundesliga, aber vor allem an den Branchenführer aus dem Süden.

Auch wenn der Wechsel eines der größten Talente des deutschen Fußballs erst im Sommer über die Bühne gehen wird, auch wenn Borussia Dortmund amtierender Meister ist: In der Wahrnehmung hat sich der BVB erst in der Winterpause zur zweiten Macht im deutschen Fußball aufgeschwungen. Droht demnach fortan ein Gigantenwettstreit zwischen den Bayern und Dortmund? Einiges spricht dafür. Die Dortmunder machen auf Understatement. "Es hat sich nichts geändert. Die Bayern sind weiter die Nummer eins. Und das muss auch ihr Anspruch sein", sagte Dortmunds Sebastian Kehl stern.de. Aber der Kapitän meint auch: "Es gibt andere Clubs, in denen gute Arbeit geleistet wird. Das soll jetzt keine Kampfansage sein, aber wir können in Zukunft natürlich eine besondere Rolle spielen."

Die Perspektiven der Borussia sind glänzend

Sebastian Kehl weiß, dass Kampfansagen an den Rekordmeister schon häufig zu Eigentoren geworden sind. Deshalb spricht der 31-Jährige lieber über die eigenen Stärken. "Intern gehen wir den bewährten Weg weiter: Wir verstärken uns sukzessive und gezielt, um für die nächsten Jahre gut aufgestellt zu sein." Das ist mit Reus erst einmal gelungen. Kehl macht gar keinen Hehl daraus, dass die Verpflichtung "ein Zeichen nach außen" sei. Der 31-Jährige findet, dass Reus bei den Schwarz-Gelben viel besser aufgehoben sei, als bei den Bayern. Der Wechsel zum BVB sei "die richtige Entscheidung".

Auch die Bayern müssen erkennen: Die Perspektiven der Borussia sind glänzend. Der BVB hat das größte Stadion in der Bundesliga, ist in allen Bereichen auf Wachstumskurs und hat mit Mario Götze und demnächst Marco Reus zwei Kreative im Kader, die für viele derzeit die besten Kicker der Liga sind. Die Kollegen wählten den Gladbacher zum Topspieler der Vorrunde, Götze folgte auf Platz zwei. Beide stehen wie außer ihnen nur Mesut Özil für deutsche Spielkunst. Dortmund, das zeigt der Transfer auch, bietet jungen Spielern ein erstklassiges Gesamtpaket inklusive homogener Umgebung.

Bayern will den Trend stoppen

"Den Automatismus, zu den Bayern zu gehen, gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Das haben wir bei Vertragsverlängerungen gemerkt, wie bei der von Mats Hummels", sagte Hans-Joachim-Watzke vor ein paar Tagen der "WAZ". Der BVB-Geschäftsführer sieht die sportliche Vormachtstellung des FC Bayern nicht als zementiert an. "Die Bayern sind in den letzten fünf Jahren nur zwei Mal Meister geworden", so der 52-Jährige. Und aktuell? In der Tabelle liegt die Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes mit drei Punkten vor Borussia Dortmund. Das ist schnell aufzuholen. Vielleicht schon am Wochenende, wenn die Bayern die Rückrunde mit dem schweren Auswärtsspiel beim Überraschungsteam aus Mönchengladbach eröffnen und die Westfalen beim labilen HSV antreten müssen.

"Die Performance im Fußball dominiert alles. Wenn wir erfolgreich und leidenschaftlich Fußball spielen, haben wir jede Menge Chancen", sagte Watzke stern.de. Gegen die Bayern sind die Dortmunder besonders erfolgreich. Schaut man sich die jüngsten drei Gipfel an, so ist die Wachablösung schon erfolgt: Die Borussia siegte mit 1:0, 3:1 und 2:0 - dabei fanden zwei der drei Spiele in München statt.

Noch liegen die Münchener vorne. Sie sind sportlich beeindruckend konstant, habe große Premium-Partner in der Wirtschaft und somit auch mittelfristig den größten finanziellen Spielraum aller Bundesliga-Clubs. Aber Dortmund wächst - und das schnell. Das Ziel definiert Trainer Jürgen Klopp. Es ist etwas, das bislang nur den Bayern gelingt: "Wir wollen ein Verein werden, von dem man nicht weggehen muss, um sportlichen Erfolg zu haben."

Nichts ist schöner, als ein echter Rivale

In der Rückrunde der Fußball-Bundesliga geht es um mehr als nur um die deutsche Meisterschaft. Es geht um die künftigen Machtverhältnisse im Oberhaus des deutschen Fußballs. Werden die Bayern vom Thron gestoßen?

Abgesehen vom Thema Reus gibt sich der Club gelassen. Hoeneß-Nachfolger Christian Nerlinger bekundet sogar: "Ich freue mich auf den Rivalen Dortmund. Es gibt für den FC Bayern und seine Spieler nichts Schöneres, als einen echten Rivalen zu haben." Bleibt abzuwarten, ob sich Nerlinger, Hoeneß und Rummenigge am 5. Mai auch noch freuen werden. Dann wird der neue Deutsche Meister gekürt. Das Kopfkino liefert schon herrliche Szenen.

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