Vielleicht ist sie ja ein Segen für uns alle, diese Globalisierung des Fußballs. Schließlich wanderten allerhand erstklassige Kicker in unser Land, seit der belgische Fußballer Bosman vor Jahren erstritt, dass ein jeder Europäer sich seinen Arbeitsplatz frei aussuchen dürfe, von Italien bis Schweden.
Also erfreuen wir uns Woche für Woche in der Bundesliga an den Toren des Italieners Toni, und wenn der gerade mal Pause macht (kommt so gut wie nie vor), springt eben der Franzose Ribéry ein. Die Gewissheit, dass uns die Nationalmannschaft als Rückzugsgebiet zur Identitätsstiftung bleibt, lässt uns das Spektakel in aller Ruhe genießen.
Teams mit echten Landsleuten?
Nicht alle Nationen können ja heute noch von sich behaupten, dass ihre Teams mit echten Landsleuten bestückt sind. Man wird ja mal zum Start der Europameisterschaft, da ein halbes Land wieder die Autofähnchen aus dem Keller holt, einen Blick auf die Konkurrenz werfen dürfen. Und was wir da bei unseren Gastgebern aus der Schweiz sehen, das ist uns schon ein bisschen unheimlich, 4:0-Sieg im Testspiel hin oder her.
Man könnte fast den Eindruck gewinnen, da ist keine Ländermannschaft mehr am Werk, sondern eine Art Weltauswahl. Kollektives Fremdblut-Doping, ungeahndet von der sonst so strengen Uefa. Wir übertreiben? Von wegen. Der Nationaltrainer Jakob - Köbi - Kuhn, 64, hat unter anderem folgende Spieler in die in seinem Land nur als "Nati" bekannte Auswahl berufen:
Eine Art Weltauswahl am Werk
Diego Benaglio, einen Torwart vom VfL Wolfsburg, gebürtig aus Italien. Philippe Senderos, einen Verteidiger von Arsenal London, der Serben und Spanier in seinem Stammbaum hat. Der Urgroßvater von Tranquillo Barnetta (Bayer Leverkusen) stammt aus Italien.
Dazu gesellen sich Eren Derdiyok, Hakan Yakin und Gökhan Inler, sie alle tragen ein vitales Stück Türkei in sich. Ricardo Cabanas' Eltern? Spanier. Blaise Nkufo? Schon der Name lässt keine Zweifel, der Mann kommt aus Afrika, genau genommen aus Zaire. Gibt es dann doch mal einen, der nach Schweiz klingt, wie wir sie uns vorstellen (Mario Eggimann), wird er nach Hause geschickt, weil zu schlecht.
Was wären die Schweizer ohn die Hilfe ihrer Nachbarn
Was wären diese Schweizer nur ohne die Hilfe ihrer Nachbarn. Nichts! Wo bleibt die Gerechtigkeit, der Dank an die Italiener für Barnetta, an die Türken für Yakin, an die Spanier für Cabanas? Wir Deutschen wissen, wie sich das anfühlt, wenn einem die Besten genommen werden. Bastürk und die Altintop-Brüder, im Ruhrgebiet aufgewachsen, nun kicken sie für die Türkei. Den jungen Sahin aus Lüdenscheid hätten wir fast vergessen. Ein großes Talent, in einer Nacht- und Nebelaktion von der Türkei in einem ruchlosen Akt der Fußballspionage abspenstig gemacht. Ein Jammer.
Gut, dass es da noch Mertesacker, Frings und Lehmann gibt. Männer ohne Oma aus Portugal. Alles im tief schwarz-rot-goldenen Bereich. Wir haben es nicht nötig, in anderer Länder Talentschuppen zu wildern. Da lassen wir uns nichts einreden von all den Lästerern, die behaupten, dieses Deutschland sei auch nur die Hälfte wert ohne das einverleibte Talent aus dem Ausland.
Alles im schwarz-rot-goldenen Bereich?
Okay, im Sturm gibt es vielleicht ein paar, die uns zugelaufen sind. Podolski und Klose erblickten in Polen das Licht der Welt. Aber das ist lange her. Trochowski wollen wir nicht unterschlagen, auch er ein Pole, aber er hat ja beim FC Bayern gelernt, deutscher geht nicht. Kuranyi besitzt einen deutschen, brasilianischen und panamesischen Pass. Er hat zwar erst spät Deutsch gelernt, ist jetzt aber mit einer Deutschen verheiratet, damit über jeden Zweifel erhaben. Bei Neuville kommt die Mutter aus Italien, gelebt aber hat er lange im Tessin, wo die Deutschen ja nun ihr Trainingscamp aufgeschlagen haben. Er hat also im Prinzip nur auf uns gewartet.
Bliebe noch Mario Gomez aus Unlingen. Ein waschechter Schwabe. In Riedlingen geboren. Wie, das kommt einem spanisch vor? Nur weil der Vater Jose vor Jahren aus Andalusien zu uns kam? Dieser Gomez ist in der Jugend des VfB Stuttgart ausgebildet worden! Wir sind ein weltoffenes Land! Gib dem Chauvinismus keine Chance! Alles sauber abgelaufen! Aber bei den Schweizern, also da sollte man noch mal genauer draufschauen - es bleibt so ein ungutes Gefühl in der Magengegend.