EM-Qualifikation Deutschland vs. Türkei Über Berlin scheint der Halbmond

Von Klaus Bellstedt, Berlin
Der DFB hat zur Integration beigetragen und das Spiel zwischen Deutschland und der Türkei nach Berlin vergeben. Ob das klug war? Lahm und Co. erwartet ein Auswärtsspiel im eigenen Wohnzimmer.

Aus deutscher Fan-Sicht könnte alles so schön sein: 74.200 Zuschauer werden am Abend das Berliner Olympiastadion zum EM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und der Türkei bis auf den letzten Platz füllen. Was für eine Kulisse! Schwarz-rot-goldenen Fahnen soweit das Auge reicht, dazu überall weiße Trikots mit schwarzen Adlern darauf, und vor dem Match natürlich Gänsehautstimmung beim Abspielen des Deutschland-Liedes. Klassicher Fall von: "Denkste". Auf Lahm, Klose, Podolski und Co. wartet, sozusagen im eigenen Wohnzimmer, ein echtes Auswärtsspiel.

Das kommt davon, wenn der Deutsche Fußball-Bund so eine Partie in die weltweit größte türkische Gemeinde außerhalb der Türkei vergibt. Keiner weiß genau, wie viele türkische Fans am Abend im Stadion sein werden. Fakt ist: 15.000 Tickets gingen an den türkischen Fußball-Verband, knapp 30.000 Karten in den freien Verkauf. Der DFB in Person von Generalsekretär Wolfgang Niersbach rechnet (sehr optimistisch) mit einem Kräfteverhältnis von "60:40 zu unseren Gunsten". Wer die Begeisterung türkischer Fans und das vergleichsweise träge Temperament deutscher Anhänger kennt, befürchtet zu Recht ein Heimspiel für die Gäste.

Für Berlin spricht der Sicherheitsfaktor


Die deutsche Elf im Spitzenspiel der Gruppe A also auswärts? Warum schwächt man sich in dieser wichtigen Partie selbst? Ist es eine Geste des deutschen Fußball-Bundes an unsere türkischen "Freunde", diese Partie in Berlin stattfinden zu lassen und damit selber einen Teil zur Verstärkung der Integration beizutragen? Klares Nein! Bei der Vergabe des Spiels nach Berlin spielte nicht so sehr der große Anteil türkischer und türkischstämmiger Menschen in der Hauptstadt eine Rolle. "Für das Olympiastadion sprach eindeutig der Sicherheitsaspekt. Die Fans sind etwas vom Platz entfernt, die Kontrollzonen sind sehr groß. Wir haben die Zahl der Ordner auf 1.400 erhöht", sagt Niersbach.

Dabei handelt es sich beim Spiel zwischen Deutschland und der Türkei keineswegs um eine Partie der Sicherheitsstufe eins. Vom DFB heißt es dazu, Deutschland gegen die Türkei ist "kein Risikospiel“. Die Polizei verzichtet sogar auf Luftüberwachung, es sind keine Hubschrauber im Einsatz. Trotzdem werden neben den rund 3.000 Polizisten auch Bombenspürhunde im Einsatz sein, die die Arena zuvor bis in den letzten Winkel durchschnüffeln werden - Ausmaße wie zuletzt bei der WM 2006. Bereits um 17.30 Uhr, mehr als drei Stunden vor Anpfiff, werden vor dem Olympiastadion die Eingänge geöffnet, weil die obligatorischen Taschen- und Körpervisitationen dieses Mal mehr Zeit als sonst in Anspruch nehmen werden. Besonderes Augenmerk werden die Ordner auf das Aufspüren der bei türkischen Fans sehr beliebten Bengalischen Feuer legen. Man könnte wetten, dass die heißblütigen Anhänger das Stadion vor dem Anpfiff dennoch mit rotem Rauch einnebeln werden.

Intensive Stimmung statt Opernpublikum


Den deutschen Spielern, so scheint es jedenfalls, macht es nichts aus, als "Gästeteam" in diese Partie zu gehen. Ihnen ist eine intensive Stimmung mit Gegenwind lieber als harmonisiertes Opernpublikum. "Bei einer guten, hitzigen Atmosphäre macht es Spaß. Wir stellen uns darauf ein", sagt WM-Torschützenkönig Thomas Müller. Beide Teams bemühen sich vor der Partie, die Lage nicht unnötig aufzuheizen. "Ich hoffe, dass Fairplay herrscht auf Straßen und Rängen und dass wir ein Fußballfest haben werden", sagt DFB-Kapitän Philipp Lahm. Mit seinem Bayern-Kollegen Hamit Altintop hat der 26-Jährige vor der Partie einen TV-Spot gedreht, der auch im türkischen Fernsehen gezeigt wird. "Hamit hat gesagt, wie heiß die Türkei auf das Spiel ist. Uns geht es nicht anders."

Siegessicher sind sie also auf beiden Seiten. Rund um den Kurfürstendamm und auch im Bezirk Mitte konnte man wenige Stunden vor dem Anpfiff allerdings das Gefühl bekommen, das Spiel sei schon vorüber. Der lärmende und von den Berlinern so gefürchtete türkische Autokorso hat sich jedenfalls schon in Bewegung gesetzt. Aus jedem zweiten hupenden Auto wird die rote Flagge mit dem Halbmond geschwenkt. Und auch die türkischen Zeitungen sind siegesgewiss. "Türkische Nacht in Berlin" titelte "Hürriyet" am Freitag und meldete, die türkische Mannschaft werde beim Spiel gegen Deutschland im Olympiastadion von sogar 40.000 Fans unterstützt. Unterdessen machte "Milliyet" den Lesern mit einer besonderen Expertenmeinung Mut: In einem Gastbeitrag beschreibt der spanische Nationaltrainer Vicente del Bosque, wie die Deutschen zu schlagen seien. Das Wichtigste sei, ihnen nicht die Initiative zu überlassen und selbst möglichst oft in Ballbesitz zu sein. Der Heimmannschaft fällt das übrigens üblicherweise leichter. Dann kann ja für die Türken nichts mehr schiefgehen.

Die deutsche Mannschaftsaufstellung:


Neuer - Lahm, Mertesacker, Badstuber, Westermann - Kroos, Khedira - Müller, Özil, Podolski - Klose

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