Himmel oder Hölle, Held oder Versager - für David Beckham hat in Portugal die schwierigste Mission seiner Laufbahn begonnen. Ganz Fußball-England erwartet bei der Europameisterschaft von dem 29 Jahre alten Kapitän das Ende der 38 Jahre langen Titeltristesse. Beckham selbst will eine Rechnung mit der Öffentlichkeit begleichen und endlich den schwarzen Fleck ausradieren, der seit sechs Jahren einen dunklen Schatten auf sein schillerndes Fußball-Leben wirft.
Ehefrau Victoria hat ihm seine angeblichen Liebesaffären verziehen, aber mit der englischen Öffentlichkeit ist Beckham noch nicht im Reinen. Seit dem 30. Juni 1998 in St. Etienne im WM-Achtelfinalspiel gegen Argentinien hat Beckham das zweifelhafte Privileg, schuld zu sein an den folgenden Misserfolgen. Nach einem dummen Revanchefoul an Diego Simone musste Beckham in der 47. Minute mit Gelb-Rot vom Platz. England schied im Elfmeterschießen aus.
"No one wants you Beck" (Keiner will dich zurück - keiner will dich, Beckham). Mit einem Wortspiel brachte das Massenblatt "The Sun" die damalige Stimmung zum Ausdruck. Beckham war der meistgehasste Engländer. Man genoss "Becks" Sündenfall, denn sein rasanter Aufstieg zum Fußball-Millionär und glitzernden «Spice Boy» passte nicht in die Welt der Yellow Press. Sie reagierte mit Hohn und Spott auf den Absturz des Emporkömmlings.
Beckham überstand die Schmutzkampagnen der Boulevardpresse, doch das Image als Sündenbock wurde er nicht los. Für das blamable Vorrunden-Aus bei der EURO 2000 wurde er ebenso mit zur Verantwortung gezogen wie für den Viertelfinal-K.o. gegen den späteren Weltmeister Brasilien bei der WM 2002 in Japan und Südkorea. Auch der 6. Oktober 2001 hatte nicht die endgültige Erlösung gebracht, obwohl er damals mit seinem entscheidenden Tor gegen Griechenland England in letzter Minute zur WM nach Fernost schoss.
Beckham hofft, dass er bei der EM die Öffentlichkeit milde stimmen kann. Die Schlagzeilen über seine Affären hätten ihn nicht beeinträchtigt, versicherte er im Trainingslager in Lissabon: "Ich bin eine starke Persönlichkeit, ein starker Ehemann und starker Vater. Das wird sich ebenso wenig ändern wie irgendetwas auf dem Fußballplatz." Auch der jüngste Wirbel um die freizügigen Fotos aus dem Mannschaftshotel machten dem schüchtern Star wenig aus.
Für Medien, Werbeindustrie und Beckham selbst ist die Story vom gefallenen Engel ein Glücksfall. Mit einem jährliches Einkommen von schätzungsweise 22 Millionen Euro ist er der am besten verdiendende Fußballer der Welt. Sein Marktwert wird auf 400 Millionen US-Dollar taxiert. Eine perfekt geschmierte PR-Maschine und Victoria haben Beckham zum ersten Pop-Star des Fußballs, zur Mode-Ikone und Vorbild für modernen Life-Style gemacht.
Mit Beckham wurde in den späten 90er Jahren sogar eine von Marketingfachleuten erdachte Kategorie Mann leibhaftig: der Homo Metrosexualis. Ein Heterosexueller, der Stil und Konsumverhalten von Homosexuellen übernimmt - auch da setzte Beckham neue Maßstäbe. Als er vergangenen Sommer für eine Ablöse von 35 Millionen Euro von ManU zu Real Madrid wechselte, stellte er Rekorde für die Ewigkeit auf. Am Erstverkaufstag wurden innerhalb von nur vier Stunden 8000 Beckham-Trikots verkauft, Real baute mit dem Engländer seine Marktführerposition in Asien und in arabischen Länder aus. Auf dem Fußball-Platz waren die «Königlichen» aber nicht Spitze und büßten trotz Beckham sämtliche Titel ein.